Dieser Dienstag sollte der Tag der Tage werden – endlich sollte und konnte der Asylantrag Lamins (Name geändert), dem von mir betreuten Adressaten, in Berlin gestellt werden. Denn in den Wochen und Monaten zuvor hatte ich mit Lamin bei zahlreichen Begleitungen anwaltliche Schriftsätze, psychologische Gutachten, eine Bescheinigung über die besondere Schutzbedürftigkeit und weitere Stellungnahmen zusammengesammelt, um ihm für seinen Asylantrag in Deutschland eine bessere Chance zu verschaffen.

Also machten wir uns am Dienstag um 14.00 Uhr auf den Weg nach Wittenau, wo sich auf dem Gelände der ehemaligen Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik das Ankunftszentrum befindet. Als wir gegen 15.00 Uhr das Haus 2 gefunden hatten und erklärten, wir seien gekommen, um für Lamin Asyl zu beantragen, erklärte uns ein freundlicher Securitymitarbeiter, dass das Ankunftszentrum bereits geschlossen sei. Ungläubig suchte ich auf meinem Smartphone auf der Website des Ankunftszentrums nach den Öffnungszeiten, die sich dort allerdings nirgends finden lassen. Die Polizei, die die erkennungsdienstliche Behandlung durchführt, so informierte uns der Securitymitarbeiter, würde nach 15 Uhr nicht mehr arbeiten. Er empfahl uns, am nächsten Tag beziehungsweise besser am Donnerstag, da sei es leerer, wiederzukommen – am besten schon um 6.00 Uhr morgens.

Notgedrungen machten wir uns unverrichteter Dinge auf den Rückweg, was für mich ärgerlich war und für den Adressaten äußerst frustrierend. Denn er hatte, nachdem er viele Monate auf den richtigen Zeitpunkt bzw. auf die zahlreichen Bescheinigungen warten musste, um seinen Asylantrag zu stellen, nun fest damit gerechnet, dass das Problem mit seinem Aufenthaltsstatus einer Lösung zugeführt werden würde. Wir fuhren wieder zu seinem Aufenthaltsort zurück und verabredeten uns für Donnerstag, 6.00 Uhr.

Um 5.30 Uhr brach ich von zu Hause auf, um Lamin am verabredeten Treffpunkt abzuholen, in der Hoffnung, er würde auch erscheinen. Als ich dort um 6.00 Uhr ankam, war meine Freude, dass er wirklich gekommen und ich nicht umsonst so früh aufgestanden war, sehr groß. Wir fuhren zum Ankunftszentrum, das wir gegen 6.30 Uhr erreichten. Der freundliche Securitymitarbeiter vom Dienstag war auch schon da. Zunächst mussten wir uns in die Wartehalle begeben, wo schon ca. 15 Personen darauf warteten, in Haus 2 aufgerufen zu werden. Hier ging es tatsächlich schnell, da mit einem Schwung alle Anwesenden aufgerufen wurden. In Haus 2 angekommen, wurden Gruppen von 3 bis 4 Personen eingelassen, um zu warten, bis sie mit dem „Fast-ID-Check“ (Fingerabdruck) an der Reihe waren, der von der Polizei abgenommen wird.

Der Polizist begrüßte uns mit einem gebellten „Passport! Documents!“ Nachdem ich erklärte, dass der Adressat keinerlei Dokumente habe, ging er wieder in sein Büro, nicht ohne auf dem Weg dorthin andere Wartende anzublaffen. Etwas später kam er wieder auf uns zu und forderte erneut „Passport! Documents!“ Ich erklärte erneut, dass der Adressat diese nicht habe. Er forderte ihn auf mitzukommen, und nach ein paar Minuten kam Lamin mit einem Papier zurück, das seine den Ämtern bekannten Daten enthielt und den Stand, wann er zum ersten Mal erkennungsdienstlich behandelt worden war.

Mit diesem Papier wurden wir zu Raum 4 geschickt, der schon ziemlich gefüllt war. Es saßen dort halb schlafende, halb wache Familien, allein reisende schwangere Frauen, allein reisende Männer, Personen im Rollstuhl. Die einzigen freien nebeneinanderliegenden Sitzplätze waren auf einer 2-er-Bank mit auf einer Seite abgebrochenen Füßen (s. Titelbild). Wir setzen uns in leichter Schieflage hin und warteten. Wir warteten und warteten und fragten uns, worauf wir warteten. Um 8.00 Uhr brachten Sicherheitsdienstmitarbeiter Frühstückstüten, auf dem Flur gab es lauwarmen Tee und Kaffee für die Asylantragstellenden. Es stellte sich heraus, dass wir auf den Dienstbeginn der Sachbearbeiter:innen warteten, die gegen 8.00 bis 8.30 Uhr ihre Arbeit aufnahmen.

Auf dem Flur bekamen wir mit, wie die Securitymitarbeiter und die Polizisten die eintreffenden Sachbearbeiter:innen mit einem freundlichen „Guten Morgen“ begrüßten, und es freute mich zu hören, dass sie doch die gängige Grußformel beherrschten.

Nach mehr als fünf Stunden Warten auf der schiefen Bank wurde Lamin endlich aufgerufen, damit er noch einmal seine Fingerabdrücke abgeben und ein Foto von ihm aufgenommen werden konnte. Das geschah gegen 13.00 Uhr, danach durften wir wieder im Warteraum Platz nehmen. In der Zwischenzeit hatte man andere aus dem Raum aufgerufen, und wir konnten uns auf unbeschädigte Stühle setzen.

Dann ging plötzlich alles sehr schnell. Lamin erhielt eine Mappe mit seinen Unterlagen, und wir mussten beim Sozialdienst vorsprechen. Dort warteten wir vielleicht 15 Minuten und führten dann ein sehr freundliches Gespräch mit der Sozialarbeiterin. Anschließend brachte ich Lamin zur medizinischen Untersuchung, bei der er nicht begleitet werden konnte. Wir verabredeten uns für den nächsten Tag um 7.00 Uhr, da er einen weiteren Termin im Haus 2 hatte. Hier sollte darüber entschieden werden, ob er in Berlin bleiben könne.

Um die Geschichte abzukürzen: Am nächsten Tag waren wir erneut um 7.00 Uhr im Warteraum von Haus 2 und konnten „schon“ um 13.00 Uhr mit der erhofften Zuweisung für Berlin, einem Ankunftsnachweis und einem neuen Schlafplatz von dannen ziehen.

Schlimm an dem ganzen Erlebnis war, neben den unterirdischen Umgangsformen der Polizisten, dass niemand die Antragsteller:innen und so auch nicht uns, über den Ablauf des Verfahrens informierte, niemand uns aufklärte, warum und worauf wir warteten bzw. welche Schritte wir als Nächste hinter uns bringen mussten. Nirgendwo in den Wartebereichen gab es Tafeln mit Informationen (z.B. in Englisch und Deutsch), die die Wartenden über das Prozedere aufgeklärt hätten.

P.s.: Die Hinweise auf der Website des Ankunftszentrum sind übrigens nicht auf dem aktuellen Stand. 

Hinterlasse eine Antwort

Deine Email Adresse wird nicht veröffentlicht.