Der Begriff »Selbstverletzendes Verhalten« meint eine ganze Reihe von Verhaltensweisen, bei denen sich Menschen absichtlich Verletzungen und Wunden zufügen. Junge Frauen sind davon mehr betroffen als heranwachsende Männer. In den meisten Fällen zeigen sich die ersten Symptome zwischen dem 12. und 15. Lebensjahr, also in der Pubertät.
Zu den häufigsten Selbstverletzungen zählen:
• Aufritzen (sog. Ritzen), Aufkratzen, Aufschneiden der Arme und Beine mit scharfen Gegenständen wie z. B. mit Messern, Rasierklingen, Scheren oder Scherben
• Ausreißen von Haaren
• Verbrennungen / Verbrühungen der Haut
• sich selbst beißen
• sich selbst verletzen durch das Schlagen von Gegenständen (das machen eher Jungs)
• schlucken von giftigen Substanzen
Selbstverletzendes Verhalten entsteht nicht ohne Anlass, sondern ist häufig eine Reaktion auf Situationen oder Umstände, von denen sich die Jugendlichen überfordert fühlen. In diesem Moment erlebt der Betroffene das Selbstverletzen als einzige Chance, mit dem Problem oder schmerzhaften Erlebnis umzugehen. Die Betroffenen erleben, dass der äußere Schmerz für einen Moment vom inneren Schmerz ablenkt. Die Wunde wird zu einem Ventil, das den Innendruck nach außen bringt. Da dieses entlastende Gefühl meist nur eine relativ kurze Zeit anhält, wird das Verhalten häufig wiederholt und kann dadurch zu einem suchtähnlichen Wiederholungszwang werden. Glückshormone, d. h. Endorphine* werden während der Verletzung im Körper ausgeschüttet. Diese können das Bedürfnis nach Wiederholung verstärken, wenn insgesamt eine schlechte Grundstimmung vorherrscht. Selbstverletzung soll nicht zum Suizid führen, sondern Spannung, Stress und psychischen Druck abbauen.
Viele jugendliche Selbstverletzer hatten in ihrer Vergangenheit traumatische Erlebnisse wie beispielsweise Trennung der Eltern, Missbrauchserfahrungen oder emotionale Vernachlässigung. Nach der Selbstverletzung haben die Betroffenen häufig mit großen Schuldgefühlen zu kämpfen und versuchen, die entstandenen Wunden zu verstecken. Hinter selbst verletzendem Verhalten verbergen sich auch Hilferufe. Es sind die gleichaltrigen Freunde, nicht so sehr die Eltern, Lehrer oder Ärzte, denen sich die jungen Menschen anvertrauen. Der Selbstverletzung liegen meist psychische Probleme wie Depressionen, unerträgliche Spannungszustände, seelische Störungen, Erregungszustände und Selbstbestrafungswünsche zugrunde. Nicht immer entwickelt sich selbst verletzendes Verhalten zu einer Krankheit, sondern kann auch eine Reaktion auf den Wunsch nach Aufmerksamkeit und Beachtung sein.
Symptome für selbstverletzendes Verhalten:
• Jugendliche geben häufig zu verstehen, dass sie sich wertlos und hoffnungslos fühlen
• lange Bekleidung auch bei warmem Wetter
• viele Narben, die unterschiedlich alt sind oder augenscheinlich immer wieder neu aufgekratzt werden
• gehäuftes Auftreten von vermeintlichen Unfällen
• Brandwunden, die auf Zigarettenglut oder sehr heiße Gegenstände zurückzuführen sind
Empfehlungen für einen sensiblen Umgang:
Im Gegensatz zu Essstörungen ist es nicht empfehlenswert, Ritzen als Thema für die Gruppenarbeit zu wählen. Viele jugendliche Selbstverletzer schämen sich dafür und reagieren abwehrend, wenn sie darauf angesprochen
werden. Hilfreich ist es, eine vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen und Gesprächsbereitschaft außerhalb der Gruppe zu signalisieren. Für den Gruppenleiter allerdings halten wir Informationen zu diesem Thema für wichtig, um selbst verletzendes Verhalten frühzeitig erkennen zu helfen.