In einem gemeinsamen offenen Brief wirft ein Bündnis aus 15 Initiativen Innensenator Andreas Geisel pauschale Diffamierungen geflüchteter Menschen aus Guinea vor und fordert ein Ende der rechtswidrigen Vorführungen ausreisepflichtiger Geflüchteter vor sogenannten Delegationen (ihrer vermeintlichen Herkunftsländer).
Der Innensenator und „die Dealer“
Von Ende Februar bis Anfang März 2021 war eine Delegation aus Guinea in der Hauptstadt. Laut Innenverwaltung wurden der Delegation bereits 22 Personen vorgestellt. Bei seinem medienwirksam inszenierten Wahlkampfspaziergang im Görlitzer Park am letzten Freitag nahm Innensenator Geisel auch zu diesen „Vorführungen“ Stellung: „Da geht es darum, dass Dealer, von denen wir vermuten, dass sie aus Guinea stammen, oftmals keine Personaldokumente dabeihaben.“ Die Delegation entscheide nach der Vorführung, „ob das ihre Staatsbürger sind oder nicht“. In 15 von 22 Fällen sei die Entscheidung „positiv“ ausgefallen. „Das sind Fälle, bei denen wir aufenthaltsbeendende Maßnahmen durchsetzen werden; also die Dealer werden an dieser Stelle zurückgeführt“, so Geisel. In drei Fällen stehe die Entscheidung noch aus.
Der Vorwurf: Pauschalisierungen & rassistische Diskriminierung
Das Bündnis aus 15 Initiativen zeigt sich bestürzt über die „… rassistisch diskriminierende[r] Art und Weise“, in der Geisel sich über Schwarze Menschen äußert. Es sei nicht hinzunehmen, dass der Berliner Innensenator in Berlin lebende aus Guinea stammende geduldete Personen diffamiert. So nannte er die der Delegation vorgeführten Personen pauschal „die Dealer“.
Ein weiterer Vorwurf lautet, dass durch die Zusammenarbeit mit der Delegation das diktatorische Regime in Guinea legitimiert werde und der Innensenator sich erheblicher Menschenrechtsverletzungen mitschuldig mache. Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch berichten, dass es in Folge der Präsidentschaftswahlen im Oktober letzten Jahres in Guinea zu massiven Menschenrechtsverletzungen gekommen ist. Zusätzlich zu den politischen Spannungen bahnt sich durch den erneuten Ausbruch des Ebola-Virus eine humanitäre Katastrophe an.
Vorführen mit Gewalt?
Seit 2018 besteht ein Migrationsabkommen zwischen Guinea und Deutschland, worin sich Guinea bereiterklärt, Staatsbürger*innen zurückzunehmen. Die entsprechende Delegation habe den Auftrag, Abschiebepapiere auszustellen. Nach welchen Kriterien die guineische Staatsbürgerschaft festgestellt wird, sei unklar. Außerdem komme es bei den Zwangsvorführungen vor der Delegation immer wieder zu körperlicher Gewalt durch Polizeibeamt*innen. So zuletzt Ende Februar, als ein 18-jähriger, der anlasslos in eine Personenkontrolle der Berliner Polizei geriet, nach Rücksprache mit der Ausländerbehörde der guineischen Delegation in Berlin zwangsvorgeführt wurde. „Sie haben mich getreten und geschlagen wie einen Hund, um mich vor die Delegation zu zerren“, so M. aus Guinea. Der Betroffene habe einen Nervenzusammenbruch erlitten und sei seitdem in stationärer Behandlung.
Ein Charter-Abschiebeflug soll laut Deportation Alarm der No Border Assembly für den 15. oder 16. März 2021 ab Berlin geplant sein.
Quellen:
Offener Brief des Bündnisses: https://fluechtlingsrat-berlin.de/wp-content/uploads/offener-brief-zu-presseauftritt-des-innensenators-im-goerlitzer-park-am-5.3.21.pdf
Gemeinsame Pressemitteilung des Flüchtlingsrat Berlin, Guinée Solidaire, BBZ, ReachOut und KOP: https://fluechtlingsrat-berlin.de/wp-content/uploads/09.03.2021_pm_guinea_.pdf
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1149358.gefluechtete-gekommen-um-abzuschieben.html