1. Um welche Situationen geht es?
Sozialarbeiter*innen freier Träger haben eben kein Zeugnisverweigerungsrecht aus § 53 Abs. 1 Nr. 3b StPO.
Jetzt wird ein solcher Sozialarbeiter in einem Prozess gegen einen Klienten vom Gericht als Zeuge geladen und soll z.B. über den Drogenkonsum u.ä. des Klienten aussagen. Das Zeugnis verweigern darf er nicht – auf der anderen Seite stellt § 203 StGB die Weitergabe von Privatgeheimnissen eines Sozialarbeiters (egal ob freier Träger oder amtlich) unter Strafe.
Was gilt? Muss der Sozialarbeiter aussagen und macht sich dann strafbar? Wird dann hinterher gegen ihn deswegen ermittelt? Zeigt der Klient ihn dann an?
2. Was ist das für ein § 203 StGB?
§ 203 StGB stellt die Weitergabe von Geheimnissen unter Strafe, die bestimmte Berufsgruppen in ihrer diesbezüglichen Eigenschaft anvertraut wurden – deswegen ist es Sonderdelikt. Außerdem ist es Antragsdelikt, § 205 I StGB, dh. der Klient müßte den Antrag stellen, dass die vermeintliche Straftat des Sozialarbeiters verfolgt wird.
2.1. Um wen geht es dabei?
Sowohl der Mitarbeiter einer staatlich anerkannten Beratungsstelle, § 203 Abs. 1 Nr. 4a StGB, als auch staatlich anerkannte Sozialarbeiter und -pädagogen, § 203 Abs. 1 Nr. 5, fallen in den Sonderdeliktsbereich.
Ziel ist es, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Klienten (abgeleitet aus den Grundrechten) zu schützen.
Diese Pflicht kann mit anderen Anforderungen, die das Gesetz an den Sozialarbeiter stellt, kollidieren (sog. Pflichtenkollision).
Gibt also der Sozialarbeiter ein Geheimnis über Verhältnisse seines Klienten in einer Gerichtsverhandlung preis, dann ist sein Handeln TATBESTANDLICH (also nur die Handlung an sich, die noch nicht über die Frage der Strafbarkeit entscheidet) von § 203 StGB erfasst.
Aber die Tat bestandsverwriklichung müsste auch rechtswidrig sein. Das ist sie, sofern kein Rechtfertigungsgrund vorliegt.
Die Pflicht zur Aussage, die sich dadurch ergibt, dass ein Sozialarbeiter nicht vom Zeugnisverweigerungsrecht (siehe Teil I) Gebrauch machen kann, ist als Rechtfertigungsgrund anzusehen. Im Ergebnis wiegt die Zeugnispflicht vor dem Gericht höher, als das Interesse des Klienten am Schutz seiner Privatsphäre.
2.2. Wem das zu juristisch-verquer war:
Im Grunde geht es um die Einordnung der Zeugnispflicht, die sich aus dem Nichtbestehen eines Zeugnisverweigerungsrechtes und dem allgemeinen Grundsatz der StPO über die Stellung eines Zeugen (Pflichten: Erscheinen, Aussagen, Wahrheit) ergibt, als Rechtfertigungsgrund, so dass keine Strafbarkeit gem. § 203 StGB vorliegt.
3. Entbindung von der Schweigepflicht
Der Sozialarbeiter im Sinne des § 53 Abs. 1 Nr. 3b StPO darf sich nicht auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen, wenn der Klient ihn von der Schweigepflicht entbunden hat.
Das bestimmt 53 II StPO: Zur Entbindung berechtigt ist die Person, deren Rechte durch das Zeugnisverweigerungsrecht geschützt werden sollen. Sind mehrere Personen geschützt (es sollen Angaben zur Tätigkeit einer Gruppe gemacht werden, die sich ev. als „Bande“ strafbar gemacht haben könnte), so müssen alle entbinden und dieses erklären.
Eine solche Erklärung kann auch durch schlüssiges Verhalten erfolgen: Der Sozialarbeiter wird im Prozess von dem angeklagten Klienten als Zeuge benannt. Zudem ist die Entbindung beschränkbar auf einzelne Tatsachenkomplexe und widerrufbar.
Bitte bedenken: Eine Aussage über Drogenkonsum muss ja nicht immer für den Angeklagten nachteilig sein. Denn gem. § 35 BtMG kann die Vollstreckung der Strafe zurückgestellt werden z.B. zugunsten einer Entziehungskur, wenn aus den Urteilsgründen hervorgeht, dass die Straftat aufgrund von Abhängigkeit verübt wurde.