Platz-/Ortsverweise durch Polizei nach Allgemeinem Sicherheits- und Ordnungsgesetz Berlin (ASOG)

Zum besseren Verständnis: Gesetzestext

§ 29 ASOG Platzverweisung; Aufenthaltsverbot

(1) Die Ordnungsbehörden und die Polizei können zur Abwehr einer Gefahr eine Person vorübergehend von einem Ort verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Ortes verbieten. Die Platzverweisung kann ferner gegen eine Person angeordnet werden, die den Einsatz der Polizei, der Feuerwehr oder von Hilfs- oder Rettungsdiensten behindert.

(2) Die Polizei kann zur Verhütung von Straftaten einer Person untersagen, ein bestimmtes Gebiet innerhalb von Berlin zu betreten oder sich dort aufzuhalten, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass diese Person dort eine Straftat begehen wird (Aufenthaltsverbot). Das Verbot ist zeitlich und örtlich auf den zur Verhütung der Straftat erforderlichen Umfang zu beschränken. Es darf räumlich nicht den berechtigten Zugang zur Wohnung der betroffenen Person umfassen. Die Vorschriften des Versammlungsrechts bleiben unberührt.

Für Eilige: Zusammenfassung

– § 29 ASOG regelt nicht nur den Platzverweis, sondern auch noch Ortsverbote
– Ein Platzverweis gemäß § 29 Abs. 1 ASOG ist die Aufforderung durch die Polizei oder Ordnungsbehörden an eine Person, den fraglichen Ort für die Dauer einer Gefahrenlage oder eines Einsatzes der Polizei oder bestimmter Dienste zu verlassen.
– Voraussetzung ist, daß von der Person entweder eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und/oder Ordnung ausgeht (Satz 1) oder daß die den Einsatz von Polizei u.ä. behindert (Satz 2).
– “Gefahr” ist eine Sachlage, bei der konkret nach Zeit, Ort und Umständen objektiv in überschaubarer Zukunft ein Schaden an einem Sicherheits- oder Ordnungsgut zu erwarten ist, falls der Geschehensablauf nicht (von der Polizei o.a.) unterbrochen wird.
– Das sog. “Verbringungsgewahrsam”, also das Bringen von Personen an einen in einiger Entfernung liegenden Ort, ist in bestimmten Grenzen zur Durchsetzung des Platzverweisen zulässig, § 30 Abs. 1, Nr.3 ASOG. Damit kann unter Umständen sichergestellt werden, dass diejenigen Personen nicht umgehend wieder an den Platz zurückkehren, von dem sie verwiesen wurden.
– Sofern Maßnahmen nach §§ 29, 30 ASOG rechtswidrig erfolgten, kann man gegen sie vorgehen, d.h. man hat Rechtsmittel.

Platzverweis, Ortsverweis – was ist das?

§ 29 umfaßt sowohl die Platzverweisung in Absatz 1, d.h. die Aufforderung an eine Person, sich von einem Platz zu entfernen, als auch das Ortsverbot in Absatz 2, d.h. das Verbot an eine Person, einen bestimmten Ort überhaupt erst zu betreten.

Wann darf ein Platzverweis oder Ortsverbot ausgesprochen werden?

Für einen Platzverweis ist notwendig, dass entweder eine Gefahr vorliegt, die meist durch das Verhalten der Person erzeugt wird (§ 29 I Satz 1 ASOG) oder eine Behinderung der Tätigkeit der Polizei, Feuerwehr oder von Rettungsdiensten besteht (§ 29 I Satz 2 ASOG). Ein Platzverweis kann sowohl durch die Polzei als auch durch die Ordnungsbehörden (also auch durch ein Bezirksamt) ausgesprochen werden. Es darf nur vorübergehend verhängt werden (s.u.). Ein für mehrere Wochen oder gar Monate ausgesprochener Platzverweis ist nicht zulässig.

Es muß eine Sachlage gegeben sein, in der konkret nach Zeit, Ort und Umständen objektiv in überschaubarer Zukunft ein Schaden an einem Sicherheits- oder Ordnungsgut zu erwarten ist, falls der Geschehensablauf nicht (von der Polizei o.a.) unterbrochen wird.
Dieser Gefahrenbegriff umfaßt aber auch die bereits eingetretene Störung der öffentlichen Sicherheit/Ordnung, d.h. eine bereits verwirklichte Gefahr.

Die öffentliche Sicherheit ist betroffen, wenn das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit anderer Menschen durch das Verhalten eines anderen beeinträchtigt ist. Das gilt auch, wenn wichtige Einrichtungen des Staates bedroht sind (Gefängnisse, Regierungsgebäude, Militärische Einrichtungen).

Der wichtigste Fall ist, dass gegen Gesetze verstoßen wird oder dies zu erwarten ist. Dabei kommt jedes Gesetz in Frage. Beispiel: Ein als solcher zu erkennender Drogenabhängiger auf dem Breitscheidplatz verstößt gegen die öffentliche Sicherheit, weil durch seinen Konsum ein Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz zu erwarten ist – eine “Gefahr”. Gegen ihn kann u.U. ein Platzverweis ausgesprochen werden.

Eine Gefahr für die öffentliche Ordnung liegt vor, wenn gegen ungeschriebene, soziale Verhaltensnormen, ähnlich wie Anstand und Sitte, verstoßen wird.

Ein Orts- oder Aufenthaltsverbot kann ausgesprochen werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Person an einem bestimmten Ort eine Straftat begehen wird. Ein Aufenthaltsverbot gemäß § 29 Abs. 2 ASOG darf nur durch die Polizei (nicht durch das Bezirksamt) ausgesprochen werden und kann auch einen längeren Zeitraum umfassen.

Wer kann verwiesen werden?

Hauptbetroffene eines Platzverweises oder eines Ortsverbotes sind Personen, die durch ihr Verhalten eine Gefahr für die öff. Sicherheit und Ordnung – siehe oben! – verursachen. “Verhalten” umfaßt dabei aktives Tun und Unterlassen.

Wegen eines Unterlassens einer Person kann aber nur ein Platzverweis ausgesprochen werden, wenn eine Pflicht zum Handeln besteht. Beispiel: Trotz eines Demonstrationsverbotes hat sich eine Menschenmenge angesammelt, die auch nach der Aufforderung der Polizei, sich aufzulösen weiterdemonstriert. Es besteht Auflösungspflicht, die Auflösung wird unterlassen – jetzt können Platzverweise wegen Unterlassens ausgesprochen werden.

Wie lange kann verwiesen werden?

Es kann nur “vorübergehend” verwiesen werden. Das heißt jedoch nicht, dass eine Verweisung nur für ganz kurze Zeit erfolgen darf. Die Zeitdauer der Verweisung hängt vielmehr von der Gefahrenlage und von der Dauer des Einsatzes der Polizei oder der benannten Dienste ab. Es darf zumindest dann kein Platzverweis mehr vorliegen, wenn die konkrete Gefahr nicht mehr besteht.
Wichtig: Es dürfen keine Platzverweise oder Ortsverbote mit Dauerwirkung angeordnet werden, wie z.B. “Wirtshausverbote” oder Aufenthaltsverbote an Nicht-Seßhafte für bestimmte Straßen oder Plätze. Rechtswidrig sind auch Platzverweise auf vorgedruckten Formularen, auf denen pauschal eine
Dauer eingetragen ist.

Was ist denn Verbringungsgewahrsam?

Es ist üblich geworden, eine sich weigernde Person zur Durchsetzung des Platzverweises an einen entfernten Ort zu verbringen, von dem sie nicht so schnell zurückkehren kann und sie dort auszusetzen.

Juristische Feinheiten außer Acht gelassen (es handelt sich dann nicht mehr um ein Vorgehen nach § 29 ASOG) kann für die Praxis festgehalten werden: Leider ist dieses Vorgehen der Polizei zulässig: Es handelt sich dann um einen sog.  “Verbringungsgewahrsam” nach § 30 Abs. 1 Nr. 3 ASOG.

Aber auch beim Verbringungsgewahrsam muß die Polizei bestimmte Grenzen einhalten:
Das Verbringen ist keine Strafe für Widerstand, sondern soll die Gefahrenlage beseitigen – oftmals drängt sich natürlich ein anderer Eindruck auf. Wenn die Platzverweisung auf andere Weise durchgesetzt werden kann, welche die betroffene Person weniger beeinträchtigt (z.B. Wegtragen), ist die Gewahrsamnahme unzulässig (so ein Urteil des BVerwG).
Unzulässig ist, Personen an einem so entlegenen Ort abzusetzen, von dem aus sie nur unter erhebliche Schwierigkeiten öffentliche Verkehrsmittel benutzen können, sich keine Verpflegung besorgen können. Jedenfalls werden auch die Tages- und Jahreszeit, die konkreten Witterungsverhältnisse, das Alter und mögliche Gesundheitliche Beeinträchtigung Gründe für die Unzulässigkeit des Verbringungsgewahrsams sein.

Platzverweisung oder Ortsverbot wegen Behinderung der Polizei u.ä., Satz 2

Eine Platzverweisung oder ein Ortsverbot kann auch gegen eine Person angewendet werden, die den Einsatz der Polizei, der Feuerwehr oder von Hilfs- oder Rettungsdiensten behindert.

Wer kann verwiesen werden?

Es kommt nur darauf an, daß die jeweilige Person den Einsatz der genannten Dienste behindert. Dabei kommt es weder auf ihr aktives Tun, noch auf eine Rechtspflicht an, sich zu entfernen; es genügt ihre Anwesenheit, wenn diese zur Behinderung des Einsatzes der Polizei, Feuerwehr oder von Hilfs- und Rettungsdiensten führt.

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