Ein Zeugnisverweigerungsrecht in der Sozialen Arbeit ist dringend notwendig, wie ein aktueller Fall aus Karlsruhe zeigt.
Sozialarbeitende sind gesetzlich zur Verschwiegenheit verpflichtet, aber ihnen ist in der deutschen Rechtsprechung kein Zeugnisverweigerungsrecht eingeräumt. Das bedeutet, sie müssen gegen ihre Adressat*innen gerichtlich aussagen, wenn sie vorgeladen werden. Verweigern sie dies, drohen ihnen Ordnungsgeld und im äußersten Fall Beugehaft. In Karlsruhe kommt es diese Woche zu genau diesem Fall. Drei Sozialarbeitende des dortigen Fanprojekts verweigern in einem laufenden Verfahren die Preisgabe von Informationen, die ihnen persönlich anvertraut worden sind und wissen noch nicht, welche Konsequenzen das Festhalten an ihrer Schweigepflicht für sie haben wird.
Hintergrund war eine Pyro-Show bei einem Heimspiel, bei der mehrere Menschen durch den Rauch verletzt wurden. Die Staatsanwaltschaft verlangte von den Mitarbeitenden des Fanprojekts nun Auskunft zu vertraulichen Gesprächen, die im Nachgang dieses Vorfalls zu dessen Aufarbeitung mit verschiedenen Fangruppen erfolgreich geführt worden waren.
Ganz unabhängig vom Kontext Fußball stellen wir uns die Fragen: Wie soll ein Vertrauen zur Zielgruppe der Sozialen Arbeit aufgebaut werden, wenn im Zweifel alles, was ein (junger) Mensch zum Sozialarbeitenden sagt, vor Gericht gegen ihn verwendet werden kann? Kann Vertrauen überhaupt entstehen, wenn es „blinde Flecken“ in der Kommunikation gibt? Und wie soll ganzheitlich unterstützt werden, wenn Sozialarbeitende nur die halbe Wahrheit kennen dürfen?
Die Basis für die Soziale Arbeit von Gangway e.V. (und weiteren Organisationen im Bündnis für ein Zeugnisverweigerungsrecht in der Sozialen Arbeit) ist das besondere Vertrauensverhältnis, welches zwischen den Fachkräften und den jugendlichen wie erwachsenen Adressat*innen über Jahre hinweg aufgebaut wird. Auf dieser Grundlage setzen wir Impulse, die wirklich angenommen werden, für eine echte Verbesserung der Lebenslagen sorgen und Lebensperspektiven außerhalb von Gewalt und Straffälligkeit ermöglichen. Damit erfüllen wir unseren öffentlichen Auftrag nach SGB VIII §13, für dessen erfolgreiche Erfüllung dieses besondere Vertrauensverhältnis unabdingbar und deshalb unbedingt zu schützen ist.
Es ist längst überfällig, dies gesetzgeberisch anzuerkennen und die Fachkräfte der Sozialen Arbeit, deren Tätigkeit auf einem solchen besonderen Vertrauensverhältnis basiert, mit einem Zeugnisverweigerungsrecht auszustatten!
Wir unterstützen deshalb das Bündnis für ein Zeugnisverweigerungsrecht in der Sozialen Arbeit und schließen uns dessen gestern veröffentlichter Stellungnahme an.