Und später, da werden wir dann Gesprächsfetzen auffangen, wenn unser Kinder unseren “schulpflichtigen”** Enkeln …(**kurzer Einschub: das Wort “schulpflichtig” gibt es dann längst nicht mehr, auch nicht “Klasse” oder “Lehrer*in” oder “Schulglocke” und “Hausaufgaben” oder so)
… versuchen zu erklären, dass es mal eine Zeit gab in der zwischen denen die (vermeintlich) Wissen (Lehrer*in) und denen die (vermeintlich) Nicht-Wissen (Schüler*in) unterschieden wurde, dass alle sich zur selben Zeit mit den gleichen Themen beschäftigt haben um “weiterzukommen” und dass es eine Unterscheidung zwischen offline und online gab (das ist mit das Schwierigste) und dass die, die von sich dachten sie seien eben diese “Wissenden” glaubten, dass, wenn sie dasselbe Langweilige in diesem sogenannten offline dann online machen es vielleicht spannend werden könnte.
Und die Enkel sitzen da zwischen Staunen und Grübeln im Gesicht und ab und an prusten sie laut los und sagen kichernd: “Nein, du veräppelst mich doch!”
Und die Münder unserer Kinder wird ein mildes Lächeln umspielen wenn sie denken: Boah, muss das krass gewesen sein für die Lehrer*innen.
Damals.
Damals in den Corona-Ferien.
(Tanja Ries)
Corona-Ferien
Auch am STREET COLLEGE sind gerade, bedingt durch die Verordnungen des Landes Berlin, Corona Ferien. Das heißt, eigentlich ändert sich nicht viel. Also, das, was sich ändert, das ist der Raum.
Die Studierenden treffen sich nicht mehr in unserer Homebase in der Graefestraße. Hängen nicht mehr zusammen rum in der Lounge, kochen und essen zusammen oder stehen rauchend im Hof rum. Sie können die Werkzeuge, die ihnen bei uns zur Verfügung stehen, von der Nähmaschine bis zum Drumcomputer und dem Studio, gerade nicht nutzen. Das ist blöd. Das ist echt blöd.
Was bleibt, das ist, dass die Studierenden bei uns bedarfsorientiert lernen. Sie bestimmen, was sie lernen wollen, wie, mit wem, wo. Ok, das „wo“ ist gerade eingeschränkt. Alles andere bleibt.
Der Raum ändert sich. Die Begegnungen, das Lernen finden im virtuellen Raum statt. Die Bedarfe sind hier sehr unterschiedlich. Manchen wollen gerne in den gleichen Zeitstrukturen lernen wie sonst auch. Mit dem Wissen, dass ihr*e Dozent*innen zur selben Zeit online und jederzeit verfügbar sind. Andere genießen es Wochenaufgaben zu bekommen und melden sich nur sporadisch. Andere wiederum fangen neue Projekte an. Ausgelöst durch das, was die jetzige Zeit mit ihnen macht. Und andere hängen rum und genießen diese „Auszeit“.
Die einen wollen Arbeitsblätter und Theorie. Die anderen lieber ein Videotutorial, einen gemeinsamen Plausch mit den anderen oder einen Videotreff mit Dozent*innen. Alles wie immer.
Die Bedarfe sind so vielfältig und unterschiedlich wie die Studierenden. Allein die Werkzeuge sind neu. Oder besser: Die Werkzeuge bereichern das Vorhandene und bringen unter Umständen dem ein oder anderen eine weitere Erkenntnis über das eigene Lernverhalten.
Was für eine Chance doch in diesen Corona-Ferien gerade liegt.
Oder besser: liegen könnte.
Millionen von Schüler*innen und Studierenden, Millionen von Lernenden und Lehrende sind gerade in eine Zwangspause aus der Normalität geschickt worden.
Der Umgang der Lehrenden damit, das lässt sich weitläufig in der Presse lesen und in Gesprächen, mit leider meist gestressten, Eltern erfahren ist sehr unterschiedlich. Da hört man von ungeordneten Mailfluten über gemeinsame Videomeetings bis hin zu „nix“, ja alles.
Und, wie so schön in dem Blogbeitrag „Digitalisierung ohne Herz und Verstand“ zitiert: „Wenn sie einen Scheißprozess digitalisieren, dann haben sie einen scheiß digitalen Prozess.“*
Die FernUniversität in Hagen ist nun die erste, die eine umfassende Studie über Erfahrungen und Einschätzungen zu einem ausgeweiteten Einsatz von digitalen Lehrmaterialien macht. Diese Studie** ist ausschließlich an die Lehrenden gerichtet.
Und die Schüler*innen und Studierenden? Wer befragt eigentlich die?
Innerhalb des #wirversusvirus Hackathons der Bundesregierung hat die Gruppe “Onlinebasierte kollaborative Lernprozesse” eine (nichtrepräsantive) Umfrage an Schüler*innen aufgesetzt.***
Ziel dieser Fragen war, wie onlinebasiertes Lernen in den kommenden Lernalltag eingebettet werden kann. Und hinter all dem steht die große Frage: Wie können gelingende Lernprozesse, angesichts der Kompetenzanforderungen des 21. Jahrhunderts, heute organisiert sein? Was befähigt die Lernenden diese Anforderungen zu erwerben. Anhand der Ergebnissen der – nicht repräsentativen – Umfrage und aufgrund unseres Erfahrungswissens ist klar, dass die optimalen Lernbedingungen für einzelne Lernende so verschieden sein können wie die Menschen selbst. Aktuell erleben wir, dass unser System nicht für alle Schüler*innen eine geeignete Lernumgebung darstellt. So haben wir zum einen junge Menschen die sich als „Abgehängte“ und „Ausgeschlossene“ erleben und zum anderen schon jungen Menschen die unter hohem Stress stehen und durchaus auch entsprechende Symptome zeigen.
Die aktuelle Situation bietet uns als Gesellschaft die Möglichkeit, durch die Erfahrungen der „Corona-Wochen“ zu erleben, dass – durch die Bereitstellung unterschiedlichster Lerntools und individueller Betreuung, sowie die Kreativität die gerade an allen Ecken und Enden von Schüler*innen und Lehrenden entsteht – individualisierteres Lernen möglich ist.
Die Chance besteht darin, diese Erkenntnisse und die Erfahrungen des Zusammenarbeitens im zukünftigen Bildungsalltag zu verankern.
Empfehlungen für zukünftiges Lernen
– Das Lernen findet zukünftig gleichberechtigt in den unterschiedlichsten Räumen statt – offline und online
– Lernen soll (online und offline) selbstbestimmt stattfinden und wird durch Impulse von Lernbegleiter*innen unterstützt. Die soziale Zusammenarbeit zwischen Schüler*innen wird auch dadurch gestärkt, dass sie in den Lernprojekten zwischen verschiedene Rollen wechseln können (siehe oben)
– Lernprojekte sind idealerweise so gestaltet, dass die Inhalte fächerübergreifend vernetzt werden und einen echten Anwendungsbezug aufweisen
Empfehlungen für die Bundesregierung
– Jedes Kind/jede*r Jugendliche*r braucht die technische Ausstattung, um an allen Lernformaten teilhaben zu können (Teilhabe)
– Bildung wird Bundessache
Um den Lernende zu ermöglichen, sowohl das erarbeitete Wissen zu teilen, als auch in diversen Gruppen zu arbeiten, braucht es einen gemeinsamen länderübergreifenden Lehrplan. Aufbauend auf den Erfahrungen der Gesamtschule können z.B. Kompetenzpakete geschnürt werden. So kann auch das: „Welchen Abschluss will ich wann erreichen?“, von den Lernenden individueller entschieden werden.
– Expert*innenkommisson
Zusammenstellung einer diversen und disziplinübergreifenden Expert*innenkommisson unter Einbeziehung von Praktiker*innen und Schüler*innen und Expert*innen, die Erfahrung in den genannten Methoden vorweisen können. Ziel: Die Umsetzung der beschriebenen Vision und die Neuausrichtung der Ausbildung für Lehrer*innen/Lernbegleiter*innen.
– Neuausrichtung der Ausbildung für Lehrer*innen/Lernbegleiter*innen
Die zukünftige Ausbildung muss nicht nur um Skills im onlinebasierten Lernen erweitert werden, sondern hinsichtlich der (oben genannten) Rollen neu ausgerichtet werden. Das Fundament der zukünftigen Lehrer*innen/Lernbegleiter*innen ist nicht mehr (hauptsächlich) auf ihr Fachwissen ausgerichtet sondern ist begründet in der Vernetzung und dem Aussortieren und Bewerten dieses Wissens und vor allem in ihren Persönlichkeiten. Auch hierzu gibt es schon Expert*innenzusammenschlüsse und erste Erprobungen.
Text von Tanja Ries
Quellen/Links:
* Das Nuf , Digitalisierung ohne Herz und Verstand
** Fernuni Hagen
*** Umfrage “Hackathon der Bundesregierung #WirvsVirus