Das Thema Männlichkeit und männliche Selbstbilder durchzieht unsere pädagogische Arbeit mit Jungs* und jungen Männern* immer wieder. Oft befinden sie sich noch in der Selbstfindung. Wer soll ich sein, wer bin ich und wer will ich eigentlich sein, sind dabei Fragen die sie beschäftigen bzw. sind es unter anderem Fragen die auftauchen wenn man ihnen Räume gibt, in denen sie sich wertfrei und ohne Angst und Scham mit dem Thema Männlichkeit auseinandersetzen können.
In der Arbeit mit einer Gruppe junger Männer zwischen 16 und 18 Jahren haben wir gemeinsam beschlossen uns mit dem Thema Männlichkeit und gesellschaftlichen Rollenbildern kreativ zu beschäftigen. Eine Idee war es, Bogenschießen zu gehen. Bogenschießen als Methode, bietet die Möglichkeit sich mit den Themen Körperwahrnehmung, Konzentration, Frustrationstoleranz, Durchhaltevermögen zu beschäftigen und gleichzeitig bietet es den Jugendlichen einen Zugang zu dem Thema der mit Spaß und einer sportlichen Aktivität verbunden ist. Für Jungs* und junge Männer* sind diese Themen oft schwer. Sie sind oft nicht bei sich, ihren Gedanken und Emotionen und es fällt ihnen schwer sich zu konzentrieren. Eine oberflächliche Betrachtung der eigenen Emotionen und impulsives, nicht durchdachtes Verhalten, führt nicht selten zu negativen Ergebnissen.
Aus Bogenschießen wird Bowling
Leider machte uns das Wetter einen Strich durch die Rechnung und wir mussten improvisieren. So gingen wir Bowling spielen. Aber auch beim Bowling, wie bei den meisten Technik basierten Sportarten, können die oben erwähnten Themen angesprochen werden. Die jungen Männer lieferten uns auch sofort eine super Vorlage, um die Themen anzusprechen. Bowling ist nicht einfach und das sahen wir schnell bei den jungen Männern. Die Bowlingkugel richtig zu werfen und die Pins so zu treffen das möglichst viele umfallen, bedarf Übung, Zeit und Geduld. So waren viele ihrer ersten Versuche von Misserfolg gekrönt. Doch den beschriebenen Weg von Übung, Zeit und Geduld schlugen sie nicht ein, sondern sie versuchten es über Kraft.
In der Ruhe liegt die Kraft
Kraft und Stärke sind typische Eigenschaften die Männern* zugesprochen werden und auf die sich die Jugendlichen hier sofort bezogen. Sie müssten nur fest genug werfen und dann würde es doch schon klappen. Hier konnten wir gut intervenieren. Wir ermutigten sie es mit mehr Ruhe und Konzentration zu versuchen und zeigten ihnen zugleich, dass ihre Körperhaltung, das richtige Zielen und Werfen der Bowlingkugel ihren Wurf positiv beeinflussen konnte. Die Wahl der richtigen Kugel, nicht einfach die schwerste nehmen (denn natürlich nahmen sie zuerst die schwerste Kugel, sie sind ja schließlich starke Männer*),vor dem Wurf kurz inne halten, durchatmen, sich auf die besprochene Körperhaltung und Technik fokussieren und dann die Bowlingkugel werfen führten oft zu mehr Erfolg. Und vor allem war es uns wichtig dass sie es weiter versuchten auch wenn es nicht sofort klappte, um zu bemerken dass sie durch üben besser wurden und auch lernen mit Frustration und Misserfolg umzugehen.
Am Ende geht es um Spaß
Natürlich ließen sich nicht alle überzeugen und einige, die nicht sofort eine Verbesserung in ihrem Spiel erfuhren, blieben bei der Maxime, umso mehr Kraft, umso besser. Doch auch sie wussten, was wir meinen und auch sie bemerkten, dass bei anderen Jugendlichen die es mit weniger Kraft, aber dafür mit mehr Konzentration und Technik versuchten, eine positive Veränderung eintrat. Zum Schluss, als wir schon vor dem Bowling Center standen, versuchten wir noch kurz einen Brücke zum Alltag zu schlagen. Wir erklärten ihnen, das es bei einem Streit, einem Bewerbungsgespräch oder der Fahrprüfung, Sinn ergibt einmal tief durchzuatmen, runter zu fahren und sich in einen Moment der Ruhe zu versetzten, sich kurz auf sein Körpergefühl zu konzentrieren und dann daran zu denken, was sie gelernt haben, was sie eigentlich sagen wollen.
Aber neben dem ganzen pädagogischen Input, hatten wir auch einfach sehr viel Spaß. Wir haben viele gelacht und es wurde auch ausgiebig „jugendlicher Unfug“ betrieben.
Bei unseren nächsten Treffen und Aktionen wollen wir anhand verschiedener Methoden und Inhalte mit den Jugendlichen darüber ins Gespräch kommen was für sie typisch männlich* und typisch weiblich* ist, wie diese Vorstellungen von gesellschaftlichen Bildern und Stereotypen geprägt ist und was ihnen ganz persönlich bei männlichen* Bezugspersonen und Vorbildern und Eigenschaften wichtig ist.