Anknüpfend an die positiven Entwicklungen und Erfahrungen, die wir ausgehend vom 2. Fachgespräch im Kosmos-Viertel in Altglienicke machen konnten, haben wir erneut interessierte und engagierte Menschen aus Politik und Verwaltung, aus Einrichtungen und Institutionen und Anwohner_innen und Nutzer_innen des Platzes eingeladen.
Aufbauend auf das 1. Fachgespräch (in der Gangway-Zentrale) und das 2. Fachgespräch (im Kosmos-Viertel in Altglienicke) vom 20.10.2011 und 22.02.2012 wurde der Teilnehmer_innenkreis erweitert und bildete so ein breites Spektrum von Anwohner_innen und Nutzer_innen des Platzes, Vertreter_innen von Politik, Verwaltung, Jobcentern, Ordnungsamt, sozialen Einrichtungen und anderen ab.
Ziel des 3. Fachgespräches war es, auf dieser Basis Bedarfe und Ressourcen im Wohngebiet am Schmollerplatz und Umgebung zu erheben, entsprechende Maßnahmen zur Verbesserung der Situation für alle Betroffenen zu diskutieren und die Basis für deren konkrete Umsetzung zu setzen. Besonderes Augenmerk lag dabei auch auf der ungewöhnlichen Situation eines „Drei-Bezirke-Ecks“, da die Berliner Bezirke Treptow, Neukölln und Kreuzberg im Umkreis des Schmollerplatzes angrenzen.
Ausgehend von den bisherigen Erfahrungen wurde das Gespräch über drei Bereiche geführt, die sich bereits als Arbeitsfelder der vorigen Fachrunden heraus kristallisiert hatten und im Fachgespräch selbst erweitert, konkretisiert (und letztendlich teilweise zusammen gelegt) wurden:
1.) Bereich Arbeit oder „Zur Notwendigkeit überbezirklicher Beschäftigungsmaßnahmen“
2.) Bereich Öffentlicher Raum oder „Die Entwicklung von Strategien zur Zusammenführung des Gemeinwesens“
3.) Bereich Suchtmittelkonsum im öffentlichen Raum oder „Zwischen Hilfe und Kontrolle – Was kann das Gemeinwesen tun?“
Ergebnisse zum Bereich „Arbeit“:
Von MAEs (und anderen Beschäftigungsmaßnahmen) werden bisher jeweils nur Anwohner_innen im jeweiligen Bezirk erreicht. In der Regel wurde das Verfahren bisher so gehandhabt, das Menschen, die z.B. im Bezirk Neukölln wohnen, nicht an einer Arbeitsmaßnahme im Bezirk Treptow-Köpenick teilnehmen konnten, obwohl die Bezirksgrenze möglicherweise nur wenige Meter von der eigenen Wohnung entfernt liegt und sie ihren Lebensmittelpunkt sogar im Nachbarbezirk haben.
Eine mögliche Lösung wäre es, einen Träger zu finden, der Beschäftigungsmaßnahmen entwickelt und mit (z. B.) drei Jobcentern Verträge abschließt, so dass aus jedem der kooperierenden Jobcenter Teilnehmer_innen in die Maßnahme aufgenommen würden. Der Aufwand hierfür ist jedoch aufgrund der Verwaltungs- und Finanzierungsstrukturen in den Jobcentern enorm. Zudem ist es unwahrscheinlich, dass ein Träger in allen drei Bezirken die Ausschreibung gewinnt. Trotzdem wurde in diesem Vorschlag ein wichtiger Ansatz erkannt, der in der Arbeitsgruppe weiter entwickelt werden soll.
Es herrscht Einigkeit darüber, dass die Bezirksgebundenheit künstlich und hinderlich ist. In einem anderen Bezirk zu arbeiten, kann für die jeweiligen Teilnehmer_innen der Maßnahmen sogar förderlich sein, um `mal den eigenen Kiez verlassen zu können oder zu müssen.
In anderen Städten ist es durchaus möglich, Teilnehmer_innen in andere Bezirke zu vermitteln, da es nur ein Jobcenter (gegebenenfalls mit Außenstellen) gibt. In Berlin gibt es jedoch in jedem Bezirk ein eigenständiges Jobcenter.
Neben dem „Wo“ mangelt es ebenfalls an der Flexibilität des „Wie lange?“. Einige Teilnehmer _innen bräuchten längere Zeit in der Beschäftigungsmaßnahme, um ein „normales“ Leben führen zu können.
Nach pragmatischen Lösungen und eventuellen Vereinfachungen wird in der Arbeitsgruppe zum Thema gesucht.
Ergebnisse zum Bereich „Öffentlicher Raum“:
Als Problemlage wurde erkannt, dass es am und um dem Schmollerplatz verschiedene „Trinkerszenen“ gibt (Anwohner_innen und mobile Gruppen, z.B. Partygäste aus anderen Bezirken, Touristen, etc.). Dementsprechend gibt es Lärm und Müll (Kippen, Flaschen etc.).
Einige Plätze (z.B. der „Grenzpark“) werden dabei verstärkt frequentiert. Hier stört u.a. starker Uringeruch, auch da es in Berlin kaum noch öffentliche, kostenlose Toiletten gibt. Dixi-Klos werden für 4.000 Euro im Jahr professionell geleert, inkl. Gefahrenzulage für Spritzen etc. Eine derartige Finanzierung für den Schmoller-Kiez ist bisher nicht in Sicht.
Parkanlagen und Fußwege werden zum Ablegen von Sperrmüll, genutzt.
Die bisherigen Versuche, den Bereich um den Schmollerplatz von den oben genannten Auswirkungen zu verschonen, scheiterten letztlich in der Gesamtschau. Ein Abbau von Sitzbänken führte zwar zu einer vorläufigen Beruhigung des Schmollerplatzes, sorgte aber in der Folge zu einer Verlagerung der Probleme in die nähere Umgebung.
Zitat eines Anwohners: „Da wo der Schmollerplatz heute ist, will der Grenzpark hin.“
Als Lösungsweg soll auf Kommunikation statt auf Ordnungspolitik gesetzt werden. Als wichtig wurde erkannt, mit den jeweiligen Menschen zu sprechen und möglichst allen einen Raum geben, statt zu verdrängen. Gemeinsam könnten eventuell passende Aufenthaltsorte für die Betroffenen gefunden werden. Dazu sollen insbesondere auch die praktischen Erfahrungen der Teams von Spax/Fixpunkt e.V. und Leopoldplatz/Gangway e.V. genutzt werden.
Probleme bezüglich der teilweise als unpassend und kiezfremd empfundenen Baupläne des Einzelhandels können von den Beteiligten des Fachgesprächs nicht gelöst werden („der Markt beherrscht den (Super-) Markt“). Trotzdem soll das Thema in der entsprechenden AG Raum haben. So gibt es z.B. Befürchtungen vor einem eventuellen Abriss von „Kaisers“ am Schmollerplatz („Was kommt stattdessen?“)
Eine erhöhte Gewaltbereitschaft sowie ein erhöhter Drogenkonsum im Bezirk werden zumindest teilweise empfunden, wenn auch nicht belegt.
Es soll eine Arbeitsgruppe „Öffentlicher Raum“ gegründet werden, um Dialog und Interessenausgleich zu fördern und gemeinsam mit allen Beteiligten zu den o.g. und weiteren Problematiken pragmatische Lösungsansätze zu finden. Die steigenden Mieten im Bezirk sollen ebenfalls in dieser Arbeitsgruppe diskutiert werden (Wohnraumpolitik).
Weitere Fragen sind: „Wem gehört der Kiez (Thema Gentrifizierung)?“; “ Was bedeutet Aufwertung des Kiezes für die Anwohner_innen? (Aufwertung kann für jeden etwas anderes bedeuten)“; „Ist die hohe Anzahl aktiver Baugruppen im Kiez bedrohlich?“
Mögliche weitere Stichworte für einen Dialog können sein: Raumgebung, Runde Tische, Kontaktstelle, öffentliche Sanitäranlagen (oder Benutzung öffentlicher Sanitäranlagen vor Ort; Vereinbarungen treffen), finanzielle Ressourcen, Dialog/Mediation/Moderation, Bereitstellung von Hundetüten, u.v.a.
Ergebnisse zum Bereich „Suchtmittel-Konsum im Öffentlichen Raum“:
Es wird ein hoher Alkoholkonsum wahrgenommen. Andererseits gibt es wenige Kiffer und wenig Heroin. Die Partyszene nimmt eher Designerdrogen. Es gibt keine erkennbaren Ansätze für eine offene Drogenszene.
Die als lokale „Szene“ wahrgenommene Gruppe besteht zumeist aus Anwohner_innen der Umgebung.
Der Großteil der „Szene“ wohnte schon vor dem Mauerfall im Bezirk und teilweise in den gleichen Wohnungen. Alkoholproblematiken gab es ebenfalls schon lange. Wohnungslose halten sich eher im „Grenzpark“ auf und mischen dort mit anderen, teils mobilen Gruppen
Es ist auffällig, dass schon lange vor den Abendstunden („ganztägig“) öffentlich getrunken wird.
Es wird die Frage aufgeworfen, inwiefern es eine Bürgerpflicht ist, Menschen vor ihrer Alkoholsucht zu schützen. Die überwiegende Meinung der Teilnehmer_innen des Fachgesprächs ist jedoch, dass ohne ein Problembewusstsein der Betroffenen keine Hilfe von außen greift. Zwangsmaßnahmen werden grundsätzlich abgelehnt.
In diesem Zusammenhang wird erwähnt, dass es im Bezirk Treptow-Köpenick aktuell keinerlei Möglichkeiten für Notübernachtungen gibt.
Mögliche Ansätze zur Entspannung und positiven Entwicklung der Situation liegen im Dialog und der Ermittlung der Hilfebedarfe und des Hilfebestands.
Die Arbeitsgruppen werden sich in Kürze zum ersten Mal treffen.