Man stelle sich folgendes Szenario vor:
Die Bewohner*innen des alternativen Hausprojektes in der Rigaer Str. 94 in Berlin Friedrichshain kämen auf die Idee Regeln für das von ihnen bewohnte Haus, den Innenhof des Hauses und für die davor liegende Straße vom Bersarinplatz bis zur Proskauer Straße aufzustellen. Diese Regeln gehen über die bestehenden Gesetze hinaus, widersprechen diesen zum Teil sogar. Sie besagen z.B., dass das Tragen von Uniformen in diesem Gebiet untersagt ist. Die Bewohner*innen machen öffentlich, dass sie in diesem Bereich ihr Hausrecht für sich beanspruchen und die Regeln mittels eines Sicherheitsdienstes durchsetzen werden und das alles zu einem großen Teil im öffentlichen Raum. Nun stellen wir uns weiterhin vor, dass das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg nicht gegen dieses Vorgehen interveniert, sondern dieses aktiv unterstützt. Das Amt erklärt, dass es in der Rigaer Straße immer wieder Konflikte gibt und diese durch die Regeln abgemildert werden. Aus diesem Grund beteiligt sich das Bezirksamt an der Finanzierung des Sicherheitsdienstes. Wenn diese Utopie eintreten würde wäre die öffentliche Empörung wohl beachtlich und Frau Herrmann als Verantwortliche im Bezirksamt müsste vermutlich aufgrund des öffentlichen Drucks zurücktreten.
Etwas Vergleichbares findet jedoch gerade am Hansaplatz im Bezirk Mitte statt, nur sind es nicht linke Bewohner*innen eines Hausprojektes, die hier Regeln aufstellen sondern eine „Shopping-Center im Hansaviertel GmbH“. Seit Kurzem gibt es dort Platzregeln in einem Gebiet, dass sich sowohl auf Privatgelände als auch im öffentlichen Raum befindet. Die Regeln verbieten Handlungen, die nach bestehender Gesetzgebung erlaubt sind, wie beispielsweise Alkoholkonsum außerhalb von Gastronomie, Betteln öder Nächtigen. Zusätzlich ist der unnötige Aufenthalt in diesem Bereich untersagt, was dem im Grundgesetz verankerten Recht auf Freizügigkeit (Art.11 GG) widerspricht. Die GmbH beansprucht ein Hausrecht und hat einen Sicherheitsdienst mit der Umsetzung beauftragt. Dieser könne Platzverweise und Aufenthaltsverbote erteilen. Unterstützt wird das Ganze vom Bezirksamt Mitte, das an der Finanzierung beteiligt ist. Nach Auskunft des Bezirksamtes handelt es sich um einen „sozialen Platzdienst“, nur besteht er nicht aus Sozialexpert*innen, sondern eben aus Mitarbeitern einer Sicherheitsfirma.
So wie in dem Beispiel aus der Rigaer Straße die Regeln auf eine bestimmte Gruppe von Menschen abzielen, ohne dass diese benannt wird verhält es sich auch in dem realen Fall am Hansaplatz. In der Rigaer Straße wäre ein Uniformverbot natürlich gegen die Anwesenheit von Polizei gerichtet, so wie die Regeln am Hansaplatz natürlich gegen die Anwesenheit von Obdachlosen gerichtet ist.