Mit der Änderung des neuen Einbürgerungsgesetzes im letzten Jahr haben viele Menschen mit Migrationsgeschichte endlich die Chance erhalten, nach fünf statt nach bisher acht Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft zu beantragen – auch viele unserer Adressat:innen. Für sie ist das nicht nur ein bürokratischer Schritt, sondern ein wichtiger Moment der Zugehörigkeit und gesellschaftlichen Teilhabe. Doch dieser Schritt wird für viele zur Enttäuschung. Trotz erfüllter Voraussetzungen warten sie seit Monaten oder sogar Jahren auf eine Entscheidung. In der Zwischenzeit bleiben sie von der kommenden Bundestagswahl am 23. Februar 2025 ausgeschlossen.
Die Hoffnung war groß, als die Zuständigkeit für Einbürgerungen von den Bezirksämtern auf das Landesamt für Einwanderung überging. Viele dachten, dass dies zu schnelleren Bearbeitungen führen würde – vor allem, weil jetzt digitale Anträge möglich sind. Einige unserer Adressat:innen stellten ihre Anträge erneut und zahlten die Gebühren ein zweites Mal, in der Hoffnung, dass der digitale Weg alles beschleunigen würde. Doch auch diese Anträge sind bislang unbearbeitet.
Im Dezember haben wir für 15 unserer Adressat:innen eine Sammelanfrage an das Landesamt geschickt, um den Stand ihrer Anträge zu erfahren. Zwar wird auf der Website des Landesamts darauf hingewiesen, besser gar nicht erst Kontakt aufzunehmen. Wir hielten den Versuch trotzdem für notwendig, denn es erscheint uns unzumutbar, dass Menschen in einer für sie so entscheidendenden Angelegenheit manchmal jahrelang auf eine Entscheidung warten, ohne jegliche Rückmeldung. Eine Untätigkeitsklage schien uns wenig zielführend, da die Gerichte das Landesamt wohl kaum stärker in die Pflicht nehmen würden.
Laut einem Artikel im Neuen Deutschland gab es 40.000 unerledigte Anträge, als das Landesamt die Einbürgerungen übernahm. 2024 kamen rund 44.000 dazu, 22.000 wurden bearbeitet. Bei einem solchen Bearbeitungsstau wären Transparenz und Klarheit notwendig, um die unbefriedigende Situation zu verändern. Eine digitale Statusübersicht für Anträge würde nicht nur den Betroffenen Klarheit bringen, sondern auch das Vertrauen in den Prozess wiederherstellen.
Die langen Wartezeiten führen bei den Betroffenen nicht nur zu Frustration, sondern verstärken auch das Gefühl der Ohnmacht. Menschen, die längst Teil dieser Gesellschaft sind, werden dadurch vom Wahlrecht ausgeschlossen. Sie haben sich entschieden, ihre alte Heimat hinter sich zu lassen und hier eine neue Zukunft aufzubauen – doch was bedeutet diese Entscheidung, wenn es ihnen dermaßen schwergemacht wird, politisch mitzubestimmen?
Demokratie lebt von Beteiligung. Sie lebt von der Idee, dass jede Stimme zählt – ob jung oder alt, neu zugezogen oder seit Generationen hier. Aber diese Beteiligung wird untergraben, wenn der bürokratische Prozess so lange dauert, dass Menschen von Wahlen ausgeschlossen sind.
Wenn die Betroffenen ihre Stimme nicht abgeben können, wird nicht nur das Vertrauen in den Staat beeinträchtigt, die mangelnde Teilhabe schadet darüberhinaus auch der politischen Kultur und der gesamten Zivilgesellschaft. Der bürokratische Stillstand entzieht den Betroffenen die Möglichkeit, an der Gestaltung ihrer Zukunft mitzuarbeiten, und verstärkt ihr Gefühl, nicht gehört zu werden.
Quelle: ND-aktuell. (2025, 8. Januar). Zentrale Einbürgerung in Berlin mit digitalen Tücken. ND-aktuell. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1188077.einbuergerung-zentrale-einbuergerung-in-berlin-mit-digitalen-tuecken.html