Am Forschungsschwerpunkt „Aggressive Lebenswelten“ der Fachhochschule Hamburg wurde für die Präventionsarbeit mit gewaltbereiten und rechtsradikalen Jugendlichen ein Handlungskonzept entwickelt, das rechtsradikales Gedankengut explizit als Gesprächs- und Diskussionsstoff in die Jugendarbeit einbezieht. Ausgangspunkt der Konzeptüberlegungen war, dass der Ansatz der „akzeptierenden Sozialarbeit“ als ungenügend beurteilt wurde, da er die innere Affinität der gefährdeten Jugendlichen zu Elementen nationalsozialistischer Ideologie nicht ausreichend berücksichtige und diese in der Suche auch nach politischer Identität allein lasse. Überdies wurden die von Heitmeyer stammenden Erklärungsmuster rechtsextremer Gewalt (Arbeitslosigkeit, Perspektivlosigkeit, Langeweile) als nicht ausreichend erachtet. Das hier vorgestellte Konzept macht dagegen gerade die Faszination nationalsozialistischer Ideologie zu einem wesentlichen Bestandteil seiner Konzeption. Danach müssen Handlungsprinzipien der Präventionsarbeit wie das Setzen von Grenzen, insbesondere bei Gewaltanwendung auch unter Zuhilfenahme der Polizei, und die haltgebende Unterstützung des Individuums in persönlichen Krisensituationen und ggf. das konkrete Angebot von „Aussteigerprogrammen“ verknüpft werden mit einer verunsichernden, z.T. auch provozierend-konfrontierenden Verwicklung in Auseinandersetzungen mit den Widersprüchen ihrer Ideologie. Ziel dieser Provokation sei zunächst die Selbstoffenbarung des Denkens und Fühlens, die sich nicht nur im Inneren des/der Jugendlichen abspielen soll, sondern mit Hilfe eines speziellen methodischen Vorgehens in den Diskurs mit den Pädagogen einbezogen werde. Ein weiteres Ziel sei hierbei, dass der/die Jugendliche seine/ihre eigenen Rationalisierungen durchschaut, seine/ihre Selbstgewissheit verliert, wieder lernfähig wird und möglichst auf die Hintergründe seiner Einstellung stößt, so dass er/sie selbst „so nicht mehr sein will“.
Erreicht werden soll dies mittels eines veränderten Rollenverständnisses, das z. B. beinhalte, nicht überzeugen zu wollen: Versuche, die Jugendlichen von ihrer Ideologie abzubringen, führten nur zu einer Kampfbeziehung, in der der Jugendliche immer Gewinner bleiben. Ziel müsse es vielmehr sein, dass der Jugendliche sich selbst oder die Jugendlichen sich: untereinander in Frage stellen. Dazu müsse eine neugierige Grundhaltung eingenommen werden, in der verunsichernde Fragen gestellt werden können. Die Jugendlichen sollen ihre Position erklären können, so als ob man sich überzeugen ließe, wenn sie dafür überzeugende (logisch schlüssige) Argumente hätten. Die Macht der Frage soll auch ausgenutzt werden, um die Jugendlichen mit z.B. mit Widersprüchen zwischen ihrer Ideologie und ihrem eigenen Verhalten oder zwischen unterschiedlichen Gruppierungen der rechten Szene zu konfrontieren.
Aus der Diskussion
Kein Name (weiblich)
Also, ich bin 56 Jahre jetzt alt, in der DDR groß geworden. In den sechziger Jahren hat die DDR in den Schulen Kampagnen gemacht und hat Originalfilme aus dem „Dritten Reich“ gezeigt, Konzentrationslager, Vergasung und so weiter. Und wenn eins in meinem Leben eine Wirkung gehabt hat, dann dies. Also wenn ich eine typische Antifaschistin geworden bin, dann nur in Form, weil ich solche Filme gesehen habe.
Stefan Schützler, Gangway
Mich würde vor allem interessieren, wie sie eine längerfristige pädagogische Orientierung oder Einbindung sicherstellen wollen? Mein Eindruck ist, was wir dort gerade gesehen haben, waren Werbeclips. Das waren die neuen Kultfilme und mich würde interessieren, wie sie verhindern wollen, dass solche Filme, wie Sie sie zeigen, bei den Jugendlichen einen Kultstatus erlangen? Ich sehe eine ernsthafte Gefahr, dass die Jugendlichen sich genau die Botschaften herausnehmen, die sie wollen: „Hitler, das Reich, geil!“ Ich fürchte, Sie machen damit auch noch die letzten Jugendlichen mit den „Zillertaler Türkenjägern“ vertraut, die lustig altdeutsche oder neudeutsche Schlager aufnehmen und in Nazisprache umsetzen. Und Sie haben dazu auch noch die Videoclips gedreht. Ich denke, dass das, was Sie machen wollen, zwar eine gute Idee ist, aber mich würde ganz dringend interessieren, wie Sie sicherstellen wollen, dass diese Filme nicht in falsche Hände geraten?
Und zweitens ein eher technischer Hinweis: Wenn Sie die Bilder in Ihrem Clip mit denen eines durchschnittlichen Horrorfilms vergleichen, so erschrecken Sie Niemanden so wirklich. Deshalb denke ich, dass die Intention, die Sie verfolgen, sicher ehrenwert ist, jedoch mit diesem Beispiel sehr, sehr schwierig umzusetzen sein wird.
Siegfried Zimmermann
Ich arbeite derzeit mit Rechtsradikalen im Gefängnis in Brandenburg. Also, ich fühle mich jetzt durch die Clips sehr verunsichert. Ich denke aber, dass ich ja auch einigermaßen „normal“ sozialisiert bin.
Die Gruppen, mit denen ich arbeite, haben nicht diese Regelsozialisierung. Sie haben Menschen umgebracht. Bei denen würde ich sagen: Ja, hier bekommen sie wieder einen Punkt mehr, um gefestigt zu sein.. In den Ohren sind mir gewissermaßen die Kommentare geklungen, die die sagen werden, wenn sie die Bilder sehen. Und das hat mich noch mehr aufgeregt, noch mehr betroffen gemacht. Ich habe im Moment keine Ahnung, wie ich das in meiner Arbeit anwenden soll. Diese „subversive Verunsicherungspädagogik“ halte ich für eine gute theoretische Aufarbeitung von dem, was wir tun. Aber wie ich das einsetzen soll, kann ich im Moment nicht sagen. Ich halte es im Moment für unmöglich.
Kein Name (männlich)
Ich wollte nur sagen, das war ein cooler, geiler Clip. Viel Action dabei und mit dem richtigen Soundtrack unterlegt. Der wird der rechten Szene unwahrscheinlich gut gefallen, der wird gut ankommen und natürlich wird er eine begehrte Kopiervorlage sein. Die Weiterverbreitung werden sie nicht in der Hand haben. Meine inständige Bitte bei der Evaluation und für die Weiterarbeit: Nehmen Sie als erstes den Soundtrack raus! Besorgen Sie sich mal die Filme von „Blood & Honour“; das ist ganz genau die Ästhetik wie dort! Und das kommt gut an bei den Jungs. Ich sage Ihnen, das wird ein richtiger Hit.
Gunnar Ortleb, RAA Berlin
Ich leite einen Prenzelberger Schülerklub.
Für mich ist eins klar: Wenn man diesen Film überhaupt irgendwann irgendwo einsetzen kann, kann man das mit zwei Jugendlichen machen, die vielleicht schon an dem Weg sind, mal darüber nachzudenken, was sie wollen. Wenn Sie das in einer größeren Gruppe machen, kriegen sie nicht mal mehr die Veranstaltung beruhigt. Ich kann da verweisen auf Filme wie „Oi!-Warning“, wo die Macher durch die rechte Szene regelrecht aus Kinosälen geprügelt worden sind. Ich halte das für kreuzgefährlich, ich halte das für überflüssig und nicht sinnvoll. Wenn ich Jugendliche soweit habe, dass ich diesen Film einsetzen kann, dann kann ich ihnen das an ihrem eigenen Verhalten aufzeigen, an den Dingen, die sie selbst getan haben. Und dann kann ich Ausschnitte aus anderen Filme nehmen, wo ich sagen kann: „Guck mal, das hast du getan.“ Ich glaube, dass wir diese Filme so nicht brauchen, einsetzen kann man sie nicht, es sei denn, wir wollen uns gegenseitig schulen….