Erläuterungen zum Gesetz – wann ist etwas überhaupt eine Körperverletzung?
Zum Verständnis: Gesetzestext
§ 223 StGB Körperverletzung
(1) Wer einen anderen körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.
Für Eilige: Kurzfassung
- Eine einfache Körperverletzung ist entweder eine körperliche Mißhandlung oder eine Gesundheitsbeschädigung.
- Eine körperliche Mißhandlung ist jede üble und unangemessene Behandlung, die das Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit der anderen Person nicht nur unwesentlich beeinträchtigt, z.B. Anspucken, Kratzen, „Blaue Flecke“ durch Anrempeln.
- Eine Gesundheitsbeschädigung ist das Hervorrufen oder Steigern eines krankhaften Zustandes, wie z.B. alle Arten von Wunden, Hämathome, Schlagen, Hervorrufen von Schockzuständen oder Pulsbeschleunigung, die zu Herzschmerzen führt. Trinkenlassen von Säuren, Urin oder anderen bakteriellen Substanzen oder anstecken mit eigenen Krankheitserregern.
- §§ 223 ff. StGB sind Vorsatzdelikte, d.h. der Täter muß die Körperverletzung beabsichtigen/wollen; andernfalls kommt fahrlässige Körperverletzung in Frage, § 229 StGB.
- Die einfache Körperverletzung wird nur auf Antrag (§ 230 Abs. 1 StGB) des Opfers bzw. seiner Sorgeberechtigten verfolgt, es sei denn, die Staatsanwaltschaft hat ein besonderes öffentliches Interesse an der Verfolgung und wird von sich aus tätig.
Für Ausdauernde – einzelne Erklärungen:
1. Was ist die „einfache“ Körperverletzung, was heißt „Grundtatbestand“?
Die „einfache“ Körperverletzung wird durch die körperliche Mißhandlung und/oder eine Gesundheitsbeschädigung vorgenommen. Darauf bauen alle anderen Formen der Körperverletzungsdelikte auf, so die gefährliche KV usw. (daher Grundtatbestand).
Der Begriff „Körperverletzung“ sollte nicht zu der Fehlvorstellung verleiten, dass dafür Wunden oder andere optisch sichtbare Auswirkungen notwendig sind. Teilweise wird auch eine psychische Beeinträchtigung (Schock, Panikzustände) ausreichen, um eine Körperverletzung zu begehen.
2. Verletzen durch tatsächliches Tun oder „Nichtstun“ – es geht beides!
Grundsätzlich kann eine Tat durch „Tun“ (schlichtweg „etwas machen“, zuschlagen, schiessen) oder durch Unterlassen verübt werden. Durch Unterlassen macht sich jemand nur strafbar, wenn er eigentlich zum Handeln verpflichtet ist (siehe Link: „Strafbar durch Nichtstun? – Unterlassen nach § 13 Strafgesetzbuch). Beispiel: Ein Vater gibt über Tage dem Kleinkind nichts zu essen und es bekommt dadurch Magen- und Nierenschmerzen. Das ist dann eine Körperverletzung durch Unterlassen.
3. Was ist eine „Körperliche Mißhandlung“?
Eine körperliche Mißhandlung ist eine üble, unangemessene Behandlung eines anderen, durch die dessen körperliches Wohlbefinden oder körperliche Unversehrtheit nicht nur unerheblich beeinträchtigt wird. Schmerzen sind dabei nicht unbedingt erforderlich, umgekehrt kann das pflichtwidrige Unterlassen der Schmerzlinderung genügen. Bei unmittelbarer Einwirkung auf den Körper werden die Voraussetzungen meistens erfüllt sein, so z.B. schon bei einer Ohrfeige, aber auch schon beim unzulässigen Abschneiden der Haare.
Mittelbare Einwirkungen, also ohne Hand anzulegen, können genügen, z.B. bei der Erregung eines Schocks durch Erschrecken, wenn Herzschmerzen entstehen. Bei nächtlichen Störanrufen könnte eine je nach den Umständen üble, unangemessene Behandlung angenommen werden (wobei dabei ein erhebliches Maß erreicht sein muss, zB. Schlaflosigkeit aus Angst). Hingegen reichen nur Ekel oder bloße Erregung nicht aus.
4. Was ist eine „Gesundheitsbeschädigung“?
Eine Gesundheitsbeschädigung ist jedes Hervorrufen oder Steigern eines vom normalen Zustand der körperlichen Funktion nachteilig abweichenden (pathologischen) Zustandes, gleichgültig, auf welche Art und Weise er verursacht wird und ob das Opfer Schmerz empfindet. Dies ist der Fall bei der Ansteckung mit einer Krankheit, dem heimlichen Verabreichen von Drogen oder der Verursachung von Volltrunkenheit, schädliche Abgase, massive Lärmeinwirkung.
5. Notwendig: „Vorsatz“ bezüglich der Verletzung – was ist das?
Für die Körperverletzung genügt der „bedingte Vorsatz„, d.h. der Täter läßt sich durch die naheliegende Möglichkeit der Körperverletzung nicht von der Tat abhalten und hat sich mit dem Risiko der „Tatbestandsverwirklichung“, sprich der Verletzung, abgefunden. Erst recht reicht es natürlich, wenn es die genaue Absicht des Täters war, zu verletzen. Liegt Fahrlässigkeit vor, dann ist nicht § 223, sondern § 229 StGB Fahrlässige Körperverletzung anzuwenden.
6. Für die Verfolgung notwendig: Antrag des Opfers nach § 230 StGB
Voraussetzung für die Verfolgung ist die Stellung eines Strafantrages bei der Staatsanwaltschaft bzw. der Polizei nach § 230 StGB, ansonsten wird kein Ermittlungsverfahren eingeleitet und es kommt zu keiner Verhandlung. Sofern ein öffentliches Interesse vorliegt, kann die Staatsanwaltschaft auch ohne Antrag des Geschädigten ermitteln. Dies wird dann vorliegen, wenn der Täter einschlägig vorbestraft ist, er roh oder besonders leichtfertig gehandelt hat, durch die Tat eine erhebliche Verletzung eintrat oder wenn die Tat im Zusammenhang mit Alkohol oder Rauschmitteln im Straßenverkehr steht.