Theoretische Hintergründe
Drogen sind alle Stoffe (Substanzen, Mittel), die aufgrund ihrer chemischen Natur, Strukturen oder Funktionen den Organismus verändern, wobei sich diese Veränderungen insbesondere in den Sinnesempfindungen, in der Stimmungslage, im Bewusstsein oder in anderen psychischen Bereichen oder im Verhalten bemerkbar machen.
Die WHO stellte 1952 vier Kriterien für die Bewertung von Sucht auf:
- Ein überwältigendes Verlangen oder Bedürfnis (zwanghafter Art), die Drogeneinnahme fortzusetzen und sich diese mit allen Mitteln zu verschaffen.
- Eine Tendenz zur Dosissteigerung
- Eine psychische und allgemein eine physische Abhängigkeit von Drogenwirkungen.
- Zerstörerische Wirkungen auf das Individuum und die Gesellschaft.
Der Begriff Sucht wird abgegrenzt von Abhängigkeit. Man unterscheidet zwischen Körperlicher Abhängigkeit und Psychischer Abhängigkeit, wobei Toleranzbildung in beide Begriffe einfließt.
Für die Entstehung von Süchten gibt es verschiedene Theorien:
- Der psychoanalytische Ansatz mit sozialpsychologischer Erweiterung
- Sozialpsychologische Aspekte
- Etikettierungsansatz (Labeling Approach)
Suchtentstehung
Abhängigkeit und Sucht sind nicht von heute auf morgen vorhanden, sondern entwickeln sich teilweise sehr langsam und für Außenstehende zunächst oft unerkennbar. Sie gehen meist einher mit sozialer Ausgrenzung, Verwahrlosung und Verelendung sowie gesundheitlicher Auszehrung. Die Erklärung der körperlichen und psychischen Suchtentstehung bezüglich Designer-Drogen ist im wesentlichen an die klassischen Erklärungsmodelle zur Suchtentstehung angelehnt. Wie bei vielen anderen Suchtmitteln müssen wir auch bei diversen Designer-Drogen davon ausgehen, daß sie die „Produktion“ oder die „Ausschüttung“ verschiedener körpereigener Stoffe (siehe körperliche Abhängigkeit) unterstützen oder ersetzen. Entsprechend vielfältig können durch den Konsum dieser Stoffe unterschiedliche Ausprägungen körperlicher und/oder psychischer Abhängigkeiten entwickelt werden. Für eine bessere Unterscheidung und eine differenzierte Sichtweise ist es wichtig zwischen den Begriffen Konsum, Mißbrauch und Abhängigkeit (Sucht) sowie Toleranz und Gewöhnung als auch verschiedenen Stufen eines Suchtstoffkonsums zu unterscheiden. Auf den verschiedenen Konsumstufen entstehen unterschiedliche Problemstellungen. Diese gilt es zu erfassen, um in der Prävention, der Information und in den Hilfseinrichtungen der Drogen- und Suchthilfe entsprechende Interventionsinstrumente zu entwickeln, die der Vielschichtigkeit der Fragen und Probleme gerecht werden. In der Suchthilfe werden zunächst Konsumstufen unterschieden:
A. Probier- bzw. Experimentierkonsum
B. Gelegenheitskonsum
C. Gewohnheitskonsum
D. Abhängigkeitskonsum
A. Probier- bzw. Experimentierkonsum
Dabei geht es den meisten in erster Linie um die Befriedigung der Neugierde auf Unbekanntes im weitesten Sinne. Junge Menschen probieren verschiedene Suchtstoffe im Verlaufe ihres Erwachsenwerdens, um mitreden zu können oder um zu wissen, wie bestimmte Sachen auf ihren Körper oder ihre Psyche wirken. So werden erste Erfahrungen mit Nikotin, Medikamenten, Alkohol aber auch mit illegalen Suchtstoffen gemacht. Dabei fällen die Jugendlichen meist selbständig eine Entscheidung darüber, welche Rolle die Stoffe in Zukunft in ihrem Leben spielen sollen. Einige verbannen nach dieser Probierphase die Stoffe aus ihrem Leben andere nicht. Sie konsumieren die Stoffe bei bestimmten Gelegenheiten.
B. Gelegenheitskonsum
Menschen, die einen gewissen Gefallen an probierten Suchtstoffen finden, werden nicht meistens aber hin und wieder zu sog. Gelegenheitskonsumenten. Das heißt, bei entsprechenden Gelegenheiten (Kinofilmen, Lagerfeuer, Parties, Feste, Musikveranstaltungen etc.) steigern Gelegen-heitskonsumenten ihren Lustgewinn an den Veranstaltungen z.B. durch kontrollierten Alkoholkonsum oder durch rauchen von Marihuana bzw. Haschisch. Gelegenheits- und Probierkonsumenten führen im wesentlichen ein völlig selbstbestimmtes und selbstorganisiertes Leben. Sie leiden an keinerlei Kontrollverlust und sind gesellschaftlich unauffällig und voll integrierte Menschen, die die geltenden Werte und Normen weitgehend teilen. Der gelegentliche Suchtstoffkonsum dieser Menschen ist weder für sie selbst noch für die Gesellschaft ein Problem. In diesen beiden Konsumstufen brauchen Konsumen-tInnen im wesentlichen sachgerechte Informationen über Stoffe und Konsumumstände, um auf der Basis fundierter Informationen die Risiken, die jeder Rauschmittelkonsum mit sich bringt, einschätzen zu können, um sich dann für oder gegen den Gebrauch der entsprechenden Mittel zu entscheiden.
C. Gewohnheitskonsum
Gewohnheitskonsumenten unterscheiden sich von Gele-genheitskonsumenten dadurch, daß sie wesentlich stärker auf die individuelle Verfügbarkeit des Suchtstoffes (z.B. Haschisch) angewiesen sind, ohne daß man bereits von einer Sucht oder Abhängigkeit sprechen kann. Besonderes Merkmal ist dabei der regelmäßige Konsum des Suchtmittels, der mehrmals wöchentlich – manchmal auch täglich – erfolgt. Dem Suchtstoff wird häufig schon eine bedeutende Funktion zugeschrieben. Dementsprechend konsumieren Gewohnheitskonsumenten vielfach konfliktbehaftet und funktionsorientiert, um Anspannungen abzubauen bzw. Hemmungen oder Langeweile entgegenzuwirken. Dabei geht oft darum, negative Gefühle zu vermeiden, womit bereits die Verdrängungsfunktion des Suchtmittelkonsums in den Mittelpunkt gerückt wird, der dann auch den oft fließenden Übergang in den abhängigen Konsum bildet. In dieser Phase des Konsums nimmt der sog. Mißbrauch der Stoffe sowohl quantitativ als auch qualitativ zu. Deutlich wird der Mißbrauch u. a. in Gewaltanwendung gegen Dritte infolge übermäßigen Alkoholkonsums, beim Führen eines Kraftfahrzeugs unter Alkohol-, Medikamenten- oder Opiateinfluß oder auch Überdosierungen mit allen Suchtstoffen.
D. Abhängigkeitskonsum
Medizinisch spricht man von einem chronisch-exzessiven bzw. pathologischen Konsum. Vom Abhängigenkonsum sprechen wir, wenn die Funktionszuschreibung an den Stoff derartig umfangreich und vielschichtig ist, daß ein Dasein ohne den Konsum des Suchtmittels für den Konsumenten nicht realisierbar erscheint. Die Einnahme einer Substanz (stoffgebunden) ist ein derart wichtiger Teil seines Lebensstils geworden, daß ein Ausbleiben des Konsums die Person in eine extreme Notlage seines zwanghaften Verlangens nach Zufuhr der Substanz hervorruft. Von Sucht wird erst dann gesprochen, wenn die Abhängigkeit den Zustand des Menschen gesundheitlich und sozial zerrüttet. Es ist der krankhafte Endzustand der Abhängigkeit von einer Droge, einem Genußmittel oder einer Verhaltensweise, wobei der Mensch nur noch bestrebt ist, sich das Suchtmittel mit steigender Dosis zuzuführen. Enthaltsamkeit vom Suchtmittel ist nicht mehr möglich und führt zu allen möglichen sogenannten „Entzugserscheinungen“. Sein Ziel ist dann nicht mehr die „berauschende oder dämpfende Wirkung“ sondern überwiegend nur die Verhinderung oder Beendigung der Entzugserscheinungen. Abhängigkeit und Sucht sind niemals von heute auf morgen vorhanden. Sie gehen meist einher mit sozialer Ausgrenzung, Diskriminierung, Verwahrlosung und Verelendung sowie gesundheitlicher Auszehrung. Die psycho-sozialen Ursachen dafür sind so vielfältig wie das Leben selbst und vielfach das Ende einer langen Kette individueller, sozialer und gesellschaftlicher Fehlentwicklungen. Zerrüttete Familienverhältnisse, fehlende Zukunftsperspektiven bei gleichzeitig wachsenden Leistungsanforderungen, Einsamkeit, Werteverlust, fehlende soziale Bindungen, Konsumorientierung und einer Öffentlichkeit, die Stoffe, wie Nikotin, Alkohol und Medikamente, wie alltägliche Konsum- und Gebrauchsgüter postuliert und einsetzt, sind dabei ein wesentlicher Baustein für labile, konfliktunfähige und somit „suchtanfällige“ Menschen. Eine Abgrenzung zur Abhängigkeit schaffen die Suchtstoffkonsumformen A, B und C. Sie beschreiben einen relativ unproblematischen oder kontrollierten Suchtmittelgebrauch. Dieser begleitet die Lebensweise eines Menschen lediglich und ist nicht selbst Lebensweise eines Menschen. Zwischen kontrolliertem Drogenkonsum und Abhängigkeit gibt es zur weiteren Differenzierung verschiedene Stufen der Gewöhnung und den Begriff Mißbrauch. Mißbrauch meint einen übermäßigen Konsum, häufige Überdosierungen, aber auch strafbare Handlungen unter Suchtstoffeinfluß. Häufiger Mißbrauch von Suchtstoffen kann ein Indikator für die Entwicklung abhängiger Konsummuster sein und tritt im Zusammenhang mit derartigen Entwicklungen auch am häufigsten auf. Im juristischen Sprachgebrauch stellt dagegen allein der Konsum eines illegalisierten Stoffes automatisch einen Mißbrauch dar. Ein solches Verständnis klärt natürlich nicht individuell, ob bei einem Menschen Drogenkonsum mit häufigem Mißbrauch oder schon Abhängigkeit besteht. Dies kann nur im Einzelfall geklärt werden: Letztlich kann nur jeder Mensch für sich selbst sagen, ob sie/er sich bzgl. des eigenen Verhältnises zum Suchtstoff nicht etwas vormacht oder sich nicht selbst täuscht. Bezüglich der Suchtentstehung werden über Designer-Drogen — in der Fachöffentlichkeit — viele, oft stark verwirrende Auffassungen vertreten. Bisherige Untersuchungen und Berichte sind widersprüchlich und nicht selten unpräzise. Eindeutig scheint nur, daß Designer-Drogen beim einmaligen Konsum nicht sofort abhängig machen. Tatsache ist auch, daß Menschen von diversen Designer-Drogen sowohl psychisch als auch physisch abhängig werden können.