Straßensozialarbeit in Berlin

De Treptow à Paris

Berlin, vor ungefähr einem Jahr:

Wir sind auf dem Weg zum Tropical Islands, als wir von Jugendlichen gefragt werden, wo wir nächstes Jahr (2024) mal hinfahren.

Unsere Antwort: „Wir haben da was im Kopf und haben die Idee einen Antrag für eine Fahrt zu schreiben. Wie wäre es mit Paris?“ Daraufhin herrscht kurze Stille.

Dann: „Paaaris?“, „Krass Paris, ja man.“, die meisten Antworten gehen im aufkommenden Sprachgewirr unter. Doch das Fazit ist klar, Paris ist gesetzt, ein Antrag an das Deutsch-Französische Jugendwerk wird geschrieben.

Kaum ein Treffen in den folgenden Monaten vergeht, ohne von der Gruppe nach dem aktuellen Stand gefragt zu werden. Ist der Antrag schon genehmigt? Wann geht es los?

Die Vorfreude bei den Jugendlichen ist riesig. In Paris ist – bis auf einem – noch niemand gewesen und auch im Ausland waren noch nicht viele. Diese Stadt ist für sie eine große Unbekannte, das wird besonders deutlich als wir mit der konkreten Planung für das Programm beginnen. Wir zeigen ihnen Bilder von kulturellen und touristischen Highlights der Stadt und lassen sie abstimmen, was sie gerne besichtigen möchten. Den ersten Platz teilen sich der Eiffelturm und das Louvre, aber auch eine Street Art Tour steht hoch im Kurs. Während die Jugendlichen durch die Treffen ein Bild von Paris bekommen und feststellen, dass sie ja doch schon einiges über Paris wissen – „Da hat doch Lupin gespielt.“ – , können wir ihre Wünsche und Ideen in Absprache mit unserer Partnereinrichtung „Cafézoide“ in unser Programm aufnehmen.

Am 20.10. ist es dann soweit und wir nehmen als gut gelaunte und aufgeregte Reisegruppe Platz im ICE nach Paris. Nicht nur die Jugendlichen sind gespannt was auf sie zukommt, auch für uns ist es ein spannendes Experiment. Dass man mit der Gruppe gut verreisen kann, wissen wir. Schon oft sind wir mit ihnen unterwegs gewesen. Aber sieben Tage im Ausland mit einem vollgepackten Programm, das ist etwas Anderes.

Wie werden sie die Sprachanimation, die sie täglich haben werden, um von den Pariser Jugendlichen französisch zu lernen, aufnehmen? Werden sie die Sprachanimateurin annehmen und wie werden die Gruppen miteinander umgehen? Fragen über Fragen, die bei einer langen Zugfahrt aufkommen.

Doch bereits nach der Ankunft spätabends in Paris werden die ersten Zweifel zerstreut. Hungrig haben wir uns das nächst beste Restaurant zum Abendessen rausgesucht und direkt einen Volltreffer gelandet. Das Essen ist köstlich und die Angestellten wahre Entertainer, die es direkt schaffen den Jugendlichen nicht nur die Mahlzeiten, sondern auch die Sprache schmackhaft zu machen. Ein erster Icebreaker. Nachdem Restaurant sitzen die ersten französischen Wörter wie „Merci“ und „Au revoir“.

Am nächsten Tag machen wir uns auf den Weg zum Cafézoide. Spannung und Neugierde macht sich unter den Jugendlichen breit: Was ist das wohl für eine Einrichtung und was für Jugendliche werden wir treffen? Vor dem Café werden wir dann leicht entgeistert gefragt, ob wir wirklich richtig sind. Wir stehen vor einer kunterbunten Fensterfassade, die ihrer Meinung nach so gar nicht nach Jugendclub aussieht. Hier sollen wir Jugendliche treffen?

Dann öffnet sich die Tür und die Frage hat sich erübrigt. Im Café stehen ebenfalls aufgeregte junge Menschen, die sich vermutlich ähnliche Fragen gestellt haben. Es folgt eine Führung von den Pariser Jugendlichen, übersetzt von unserer Sprachanimateurin. Langsam ergibt sich für die Berliner:innen ein Bild vom Café und der Arbeit dort. Nach der Führung bleibt noch Zeit sich über die ersten Eindrücke von Paris auszutauschen, was zu einigen irritierten Blicken und teilweise Gelächter bei den Pariser:innen führt. Schließlich erzählen die Berliner Jugendlichen davon, dass sie Angst hätten alleine in Paris unterwegs zu sein und sich in den Metros nicht wohlfühlen, dass alles so voll sei und nach Urin rieche. Die französischen Jugendlichen gehen darauf ein und versichern ihnen, dass sie keine Angst zu haben brauchen und sich das nach ein paar Tagen legen werde. Dann gibt es ein kurze Pause, in der die ersten Zigaretten geraucht werden. Eine erste Gemeinsamkeit ist gefunden.

Die Sprachanimateurin greift dies zu Beginn ihrer ersten Sprachanimation auf und übt mit ihnen, wie man nach einem Feuerzeug auf der jeweils anderen Sprache fragt. Der zweite wichtige Icebreaker. Unsere Jugendlichen erzählen im Nachhinein, dass es genau diese hinhörende und aufmerksame Art von Deborah (Sprachmittlerin) ist, die es ihnen erleichtert hat sich zu öffnen und bei den Sprachspielen mitzumachen.

Dabei zuzusehen wie die Sprachanimationen ihnen Freude am Erlernen einer Fremdsprache gebracht haben, hat großen Spaß gemacht. Es dauerte nicht lange, da konnten sie sich bereits in der jeweils anderen Sprache begrüßen, bedanken und verabschieden. Jeden Tag aufs Neue haben sie sich darauf gefreut neue Wörter kennenzulernen und mit Deborah und den französischen Jugendlichen über ihre Eindrücke von Paris zu sprechen.

Die touristischen Highlights wie Eiffelturm, Champs Elysée und Louvre wurden schnell zur Nebensache. Sie waren froh dort gewesen zu sein und haben den Blick vom Eiffelturm bei Nacht und das Schlendern über den Champs Elysée genossen oder sich über ein Foto von der Mona Lisa gefreut. Was ihnen aber am meisten hängen geblieben ist, sind die gemeinsamen Aktivitäten mit den französischen Jugendlichen und das Cafézoide mit seinem Nachbarschaftsgarten. Diese Orte haben sich für sie nach ein paar Tagen schon heimisch angefühlt. Angst und Unbehagen sind schnell einem Vertraut- und Sicherheitsgefühl gewichen.

Hieß es zu Beginn noch sie würden sich nicht trauen alleine in Paris unterwegs zu sein, ließen sie sich zum Ende der Begegnung die Stadt von den Jugendlichen des Cafézoide zeigen. Zusammen haben sie an der Seine die Abendstimmung genossen oder sind in der Innenstadt shoppen gegangen. Sie haben während der Woche ein gutes Vertrauen ineinander gefunden und sind als Gruppe gewachsen. Als an einem Tag das Programm geändert werden musste, war das für sie kein Problem. Sofort hatten sich drei Angebote ergeben, die von Jugendlichen organisiert wurden. Es wurden Graffitis gesprüht, Bruschetta zubereitet und Kampfsport gemacht. Das war der dritte Icebreaker.

Eine der wichtigsten Erkenntnisse war für die Jugendlichen, dass es keine gemeinsame Sprache braucht um sich zu verständigen und man viel Respekt bekommt, wenn man versucht sich in der anderen Sprache auszudrücken. Auf unsere Anmerkung hin, dass man sich ja mit Händen und Füßen verständigen könne, hat ein Jugendlicher richtigerweise angemerkt: „Naja eher mit den Händen, als mit den Füßen.“

Nach einer Woche in Paris ist diese Stadt nun nicht mehr nur der Drehort von „Lupin“ für die Jugendlichen. Es ist vielmehr ein Ort geworden, an dem sie viel von und über sich gelernt haben. Jeden Tag aufs Neue haben sie uns gespiegelt, dass sie dazu gebracht wurden ihre Komfortzone zu verlassen und sie das gut fanden. Dass es sich für sie gelohnt hat, sich auf das Programm und die Menschen einzulassen, hat ein Jugendlicher ganz gut zusammengefasst:

„Krass, ich habe jetzt einfach Leute in Paris, zu denen ich fahren kann.“  

Vielen Dank an das Centre Francais de Berlin für die Unterstützung bei dem Projekt und ein ganz besonders großer Dank für die Förderung an das