In den letzten Tagen war immer wieder zu hören und zu lesen, dass sich gerade junge Menschen verantwortungslos verhielten und die Regeln des social distancing nicht befolgten. Der Begriff der Corona-Partys machte die Runde. Jungen Menschen wird viel zu oft ein politisches Bewusstsein, Engagement und generelles Verantwortungsbewusstsein abgesprochen. Diese Bild hat sich durch die Fridays for Future Bewegung zwar ein wenig relativiert, aber im allgemeinen gelten die Jugendlichen immer noch als ziemlich problematisch. Es heißt, die Jugend von heute sei eine Youtube und TikTok konsumierende und Gangster Rappern nacheifernde Generation. Wir im Team Neukölln-Nord haben in den letzten Tagen viel über Telefonate, Sprach- und Textnachrichten mit Jugendlichen über die aktuelle Situation gesprochen. Dabei haben sich die angeblich so „unverantwortlichen“ Jugendlichen ganz anders dargestellt.
Die meisten jungen Menschen die wir kennen, verhalten sich relativ „jugendtypisch“. Das bedeutet sie sind gern draußen unterwegs, gehen nach der Schule gemeinsam einen Döner essen, bewegen sich zwischen Einkaufscenter, der Straße und Jugendclubs. Sie spielen gerne Fußball oder gehen ins Fitnessstudio. Und das am liebsten mit einem Freund oder einer Freundin zusammen oder direkt mit der ganzen Clique. Das alles ist nun kaum noch möglich. Wie gehen die jungen Menschen die wir kennen damit um? Finden sie die ganzen Maßnahmen übertrieben, sind sie sauer über die Einschränkungen?
Das erste was uns auffiel: in den meisten Nachrichten der Jugendlichen wurde klar, dass sie die Einschränkungen in ihrem Alltag zwar nervig, aber nicht übertrieben finden. Ganz im Gegenteil. Eine Jugendliche bewertet die Maßnahmen sogar als „untertrieben“, weil so viele Leute überhaupt nicht auf „ihre Mitmenschen aufpassen“ würden. Ein anderer Jugendlicher sieht es ähnlich: „Man soll das alles nicht auf die leichte Schulter nehmen“ erzählt er uns per Sprachnachricht und ergänzt, „Wenn sich jeder einfach mal ein bisschen benimmt, ist das schon richtig wichtig“. Der Großteil der Jugendlichen ist sich über die Ernsthaftigkeit der Situation und die Notwendigkeit der Maßnahmen bewusst und auch darüber, das nicht sie am gefährdetsten sind, sondern dass gerade alte und vorerkranke Menschen sind, die von durch das Virus gefährdet sind. So machen sie sich in der Regel auch nicht wirklich große Sorgen um sich selbst, sondern vielmehr um ihre Eltern und Großeltern, aber auch generell um andere Menschen. So schickte uns ein junger Mann, der gerade mit Erkältung im Bett liegt und für die nächste Woche vom Arzt krankgeschrieben ist, eine Sprachnachricht und erklärte warum es für ihn absolut klar ist, im Moment Zuhause zu bleiben. Er wolle sich überhaupt nicht vorstellen, dass er vielleicht das Virus in sich trägt, es nicht merkt und durch unvorsichtiges Verhalten jemanden anstecken könnte. Diese Vorstellung wäre „nicht gerade gut für meinen Kopf“ sagte er in einer der Nachrichten. Auch er sprach davon, dass wir das alles nicht „auf die leichte Schulter“ nehmen dürften und er denke, dass diese harte Zeit noch lange andauern wird.
Und trotzdem, bei allem Verantwortungsbewusstsein, das uns die Jugendlichen gezeigt haben, leicht ist das alles nicht für sie. Sie vermissen ihre Freunde, sie vermissen es draußen zu sein, sie machen sich zum Teil Sorgen wegen der Schule. So erzählt uns eine Jugendliche, dass es bis zu diesen ganzen Ereignissen gerade ziemlich gut in der Schule lief. Doch jetzt fühle sie sich mit dem ganzen Stoff den sie Zuhause alleine lernen muss, überfordert. Eine andere Jugendliche schreibt, die ganzen Aufgaben, die sie bekommen würde, wären „Todes viel“. Neben den Schulaufgaben, verbringen fast alle Jugendliche mit denen wir Kontakt haben, mit Serien, Youtube, chatten und Telefonaten mit Freunden und Freundinnen oder mit dem lesen von Büchern ihre Zeit. Eine Jugendliche schreibt uns, dass sie sich eine „Liste mit Filmen, Serien und Büchern erstellt“ habe, die sie in der nächsten Zeit gucken und lesen will. Ein anderer Jugendlicher macht auch weiterhin Sport, versucht sich Zuhause fit zu halten, aber schreibt auch, dass das nicht immer klappe. Zuhause sei man doch immer ein bisschen fauler. Und am Ende gibt es bei den Jugendlichen natürlich auch viel, viel Langeweile. Die Stimmung Zuhause ist bei vielen gut. Manche freuen sich sogar und finden das es eigentlich doch ganz gut ist, „dass man jetzt mal soviel Zeit für die Familie hat“ und schreiben weiter, das sie sich sogar im Moment besser mit ihrer Familie verstehen. Das ist aber nicht überall so. Es ist schon ab und zu stressig wenn man die ganze Zeit zusammen ist und es geht auch auf die Psyche, schreibt uns ein junger Mann. Doch wenn es zu viel ist, geht er runter in den Hof. Da sitzt er dann etwas, kann sich entspannen und kommt zumindest „ein bisschen an die frische Luft.“ Es gibt aber auch Familien, in denen sich die Eltern extreme Sorgen machen und die Stimmung deswegen sehr gereizt ist.
Es gab natürlich auch Nachrichten von Jugendlichen, die das alles für „komplett übertrieben“ halten. Die davon genervt sind, dass alle Geschäfte geschlossen sind und denken, dass die Medien das alles größer machen, als es sein müsste. Doch das waren die Ausnahmen. Der Großteil der jungen Menschen mit denen wir kommuniziert haben, hatte einen sehr differenzierten Blick auf die Situation. Das sind natürlich keine repräsentativen Einblicke in die Jugend von heute, aber wir haben einen Eindruck davon bekommen, dass nicht allen Jugendlichen die Situation egal ist und sich nicht alle unverantwortlich verhalten. Die Jugend von heute ist vielfältig und man sollte sich davor hüten, alle über einen Kamm zu scheren. Sondern sie und ihre Gedanken, Gefühle und auch Sorgen und Ängste ernst nehmen. Beim Thema Sorgen und Ängste wollen wir euch auch noch mal kurz an den Artikel „Notrufnummern während der #SozialenDistanz“ erinner. Dort findet ihr die verschiedensten Nortrufnummern.
Und zum Schluss möchten wir auch noch mal allen Jugendlichen für ihre Offenheit und ihr Vertrauen uns gegenüber danken! Passt weiterhin gut auf euch, eure Familien und euer soziales Umfeld auf.