Straßensozialarbeit in Berlin

§ 52 StPO: Zeugnisverweigerungsrecht der Angehörigen

Das Zeugnisverweigerungsrecht gem. § 52 ff. StPO

Gesetzestext:

§ 52 Zeugnisverweigerungsrecht der Angehörigen des Beschuldigten

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt

1.     der Verlobte des Beschuldigten oder die Person, mit der der Beschuldigte ein Versprechen eingegangen ist, eine Lebenspartnerschaft zu begründen;
2.     der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a.   der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3.     wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.
(2) Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so dürfen sie nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.
(3) Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, in den Fällen des Absatzes 2 auch deren zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts befugte Vertreter, sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren. Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufen.

 

§ 53 Zeugnisverweigerungsrecht aus beruflichen Gründen

(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind ferner berechtigt

1.     Geistliche über das, was ihnen in ihrer Eigenschaft als Seelsorger anvertraut worden oder bekanntgeworden ist;
2.     Verteidiger des Beschuldigten über das, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder bekanntgeworden ist;
3.     Rechtsanwälte und sonstige Mitglieder einer Rechtsanwaltskammer, Patentanwälte, Notare, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer, Steuerberater und Steuerbevollmächtigte, Ärzte, Zahnärzte, Psychologische Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, Apotheker und Hebammen über das, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder bekanntgeworden ist; für Syndikusrechtsanwälte (§ 46 Absatz 2 der Bundesrechtsanwaltsordnung) und Syndikuspatentanwälte (§ 41a Absatz 2 der Patentanwaltsordnung) gilt dies vorbehaltlich des § 53a nicht hinsichtlich dessen, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder bekanntgeworden ist;
3a.  Mitglieder oder Beauftragte einer anerkannten Beratungsstelle nach den §§ 3 und 8 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes über das, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder bekanntgeworden ist;

3b.   Berater für Fragen der Betäubungsmittelabhängigkeit in einer Beratungsstelle, die eine Behörde oder eine Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts anerkannt oder bei sich eingerichtet hat, über das, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut worden oder bekanntgeworden ist;

4.     Mitglieder des Deutschen Bundestages, der Bundesversammlung, des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland oder eines Landtages über Personen, die ihnen in ihrer Eigenschaft als Mitglieder dieser Organe oder denen sie in dieser Eigenschaft Tatsachen anvertraut haben, sowie über diese Tatsachen selbst;

5.     Personen, die bei der Vorbereitung, Herstellung oder Verbreitung von Druckwerken, Rundfunksendungen, Filmberichten oder der Unterrichtung oder Meinungsbildung dienenden Informations- und Kommunikationsdiensten berufsmäßig mitwirken oder mitgewirkt haben.

Die in Satz 1 Nr. 5 genannten Personen dürfen das Zeugnis verweigern über die Person des Verfassers oder Einsenders von Beiträgen und Unterlagen oder des sonstigen Informanten sowie über die ihnen im Hinblick auf ihre Tätigkeit gemachten Mitteilungen, über deren Inhalt sowie über den Inhalt selbst erarbeiteter Materialien und den Gegenstand berufsbezogener Wahrnehmungen. Dies gilt nur, soweit es sich um Beiträge, Unterlagen, Mitteilungen und Materialien für den redaktionellen Teil oder redaktionell aufbereitete Informations- und Kommunikationsdienste handelt.

(2) Die in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 bis 3b Genannten dürfen das Zeugnis nicht verweigern, wenn sie von der Verpflichtung zur Verschwiegenheit entbunden sind. (…)

§ 53 a Zeugnisverweigerungsrecht der Berufshelfer

(1) Den in § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 Genannten stehen ihre Gehilfen und die Personen gleich, die zur Vorbereitung auf den Beruf an der berufsmäßigen Tätigkeit teilnehmen. Über die Ausübung des Rechtes dieser Hilfspersonen, das Zeugnis zu verweigern, entscheiden die in § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 Genannten, es sei denn, daß diese Entscheidung in absehbarer Zeit nicht herbeigeführt werden kann.
(2) Die Entbindung von der Verpflichtung zur Verschwiegenheit (§ 53 Abs. 2 Satz 1) gilt auch für die Hilfspersonen.

 

Erläuterungen:

Die §§ 52 ff. StPO regeln das Zeugnisverweigerungsrecht für bestimmte Personengruppen. D.h., dass die in diesen Vorschriften aufgezählten Personengruppen ohne weitere Begründung nicht als Zeugen aussagen müssen. Denn grundsätzlich gilt ja, dass jeder, der als Zeuge geladen wird, zur Vernehmung erscheinen, wahrheitsgemäß aussagen und seine Aussage auf Verlangen beeiden muss.

Die §§ 52 ff. StPO befreien nun bestimmte Personengruppen von der allgemeinen Pflicht zur Aussage. Dies gilt aber nicht für das Erscheinen zur Vernehmung und – im Falle der Aussage – zur Wahrheitspflicht!

Macht jemand eine Aussage, ohne über sein Zeugnisverweigerungsrecht aufgeklärt worden zu sein, ist diese Aussage später nicht als Beweismittel verwertbar, d.h., dass Gericht darf die Aussage nicht als Beweismittel zur Begründung seines Urteils heranziehen.

Am Anfang jeder Vernehmung wird daher gefragt, ob man mit dem Beschuldigten/Angeklagten „verwandt oder verschwägert“ ist. Ein Blick auf den Gesetzestext zeigt, dass diese Formulierung eigentlich nicht ausreicht und der Personenkreis eigentlich noch weiter ist. Allerdings besteht die Belehrungspflicht nur gegenüber Personen, die nach § 52 StPO ein Zeugnisverweigerungsrecht hat, also bei Angehörigen. Bei Berufsgeheimnisträgern mit einem Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 StPO wird vorausgesetzt, dass diese ihr Zeugnisverweigerunsgrecht kennen.

Sinn und Zweck dieser Vorschriften ist es, den aufgezählten Personen aus einer Konfliktlage zu helfen. Denn auf der einen Seite sind sie als Zeugen zur Wahrheit verpflichtet, auf der anderen Seite müssen sie aber befürchten, einem Angehörigen oder einer Person, zu der ein Vertrauensverhältnis besteht, mit ihrer Aussage zu schaden. Im Falle des § 53 StPO betrifft dies zum Teil Personen, die sich sonst sogar gemäß § 203 StGB strafbar machen könnten, wenn sie vor Gericht bestimmte Dinge preisgeben würden (z.B. Rechtsanwälte, Ärzte usw.).

Man muss ausdrücklich erklären, dass man von seinem Zeugnisverweigerungsrecht gebraucht macht, dieses aber nicht weiter begründen, sondern nur glaubhaft machen, dass man zu dem Personenkreis der § 52 ff. StPO gehört (§ 56 StPO).
Im Gegensatz zum Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO (siehe dort) muss man bei einem Zeugnisverweigerungsrecht „gar nichts“ zur Sache aussagen.