Erläuterungen zum Gesetz – Gerichte gehen sehr schnell von einer „Beteiligung“ aus – wann ist jemand an einer Schlägerein beteiligt und wird strafbar?
Gesetzestext:
§ 231 StGB Beteiligung an einer Schlägerei
(1) Wer sich an einer Schlägerei oder an einem von mehreren verübten Angriff beteiligt, wird schon wegen dieser Beteiligung mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn durch die Schlägerei oder den Angriff der Tod eines Menschen oder eine schwere Körperverletzung (§226) verursacht worden ist.
(2) Nach Absatz 1 ist nicht strafbar, wer an der Schlägerei oder dem Angriff beteiligt war, ohne dass ihm dies vorzuwerfen ist.
Zum Überlegen vorab:
– Zehn Leute haben sich eine Saalschlacht geliefert. Dabei hat einer ein Auge durch einen herumfliegenden Aschenbecher verloren. Wer den Aschenbecher geworfen hat, kann nicht im nachhinein festgestellt werden. Sind alle Beteiligten trotzdem nach § 231 StGB strafbar? – Ja.
– Ist auch das Opfer (Verlust des Auges!) der Schlägerei, das aber ansonsten fleissig mitgeprügelt hat, strafbar? – Ja.
– Einer war aus dem Saal geflüchtet, kurz nachdem leichte Rempeleien die Schlacht eröffneten – mehr hat er nicht gemacht. Hat er sich schon strafbar gemacht? – Nach der Rechtsprechung ja.
– Ein anderer ist erst zu der Schlägerei dazugestoßen, als sie schon in vollem Gange war und das Opfer schon das Auge verloren hatte. Strafbar? – Nach der Rechtsprechung ja.
Für Eilige: Kurzfassung der Erläuterungen
– Es müssen mehr als zwei Personen an der Schlägerei beteiligt sein. Ansonsten liegt eine Strafbarkeit nur nach den anderen Körperverletzungsdelikten vor.
– Beteiligung meint jede Anwesenheit (!) an dem Tatort und irgendeine physische oder auch nur psychische Mitwirkung (Zuspruch, Anfeuern) in feindlicher Willensrichtung. Also ist es irrelevant, wenn die fragliche Person sich entweder aus der Schlägerei entfernt, bevor die schwere Folge als Körperverletzung eintritt, oder erst zur Schlägerei hinzukommt, wenn diese schon passiert ist.
– Es ist nicht notwendig, daß die schwere Körperverletzung nicht gewollt oder vorherzusehen war.
– Zur Straflosigkeit können Rechtfertigungsgründe wie Notwehr, § 32 StGB, Einwilligung der Beteiligten in Verletzungen (so etwa beim Sport-Catchen), § 228 StGB usw. führen. Zur Schuldunfähigkeit und damit Straflosigkeit führt Unzurechnungsfähigkeit, etwa gem. § 20 StGB wegen Alkohols ab 3 ‰, Geisteskrankheiten etc.
– Als schwere Folge muß eine Person entweder getötet worden sein oder eine schwere Körperverletzung gemäß § 226 StGB (Kommentierung dort!) erlitten haben.
– Wird der Tod eines Beteiligten beabsichtigt, kommt eine Strafbarkeit wegen Totschlags oder Mordes (§§ 212, 211 StGB) in Frage.
Ausführliche Erläuterungen
1. Worum geht es bei dem Delikt?
Die Beteiligung an einer Schlägerei gem. § 231 StGB gehört zu den Körperverletzungsdelikten. Erfasst werden solche Taten, die auch wechselseitig begangen werden und nicht nachzuvollziehen ist, wer wem welche Verletzungen zufügte.
Voraussetzung ist aber, dass entweder eine schwere Folge nach § 226 StGB (schwere Körperverletzung) eintritt oder ein Mensch stirbt.
Die Vorschrift stellt Schlägereien wegen ihrer Gefährlichkeit und den Beweisschwierigkeiten unter Strafe. Es ist bei Schlägereien mit mehreren Beteiligten äußerst schwierig, die jeweils Verantwortlichen festzustellen. Um Strafbarkeitslücken zu vermeiden, wurde mit § 231 StGB ein abstraktes Gefährdungsdelikt geschaffen, d.h. schon allein durch ein „Dabei-Sein“ wird die Gefährlichkeit einer Schlägerei erhöht, weil nicht abzusehen ist, was wem passiert und durch mehrere Personen ein Ausarten oder Übergreifen der Auseinandersetzungen naheliegt.
Der Begriff der „Beteiligung“ wird von der Rechtsprechung sehr weit gefasst.
2. Erläuterungen der einzelnen Begriffe
2.1. Schlägerei und Angriff
Eine Schlägerei ist eine mit gegenseitigen Körperverletzungen verbundene Auseinandersetzung, bei der mehr als zwei Personen aktiv mitwirken. (Bei zwei Personen käme eine gefährliche Körperverletzung gem. § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB in Betracht.)
Ein Angriff ist eine feindselige, unmittelbar auf den Körper zielende Einwirkung, bei der die Gefahr einer nicht ganz unerheblichen Verletzung besteht. Zu einer Verletzung muss es hierbei nicht kommen. Es geht nicht um rein verbale Angriffe. Beispiele: Bedrohliches Bestürmen einer Person mit gefährlichen Gerätschaften (Schaufel, Baseballschläger) in der Hand.
2.2. Beteiligung
Die Gerichte fassen den Begriff der „Beteiligung“ recht weit.
Für die Beteiligung an einer Schlägerei soll die bloße Anwesenheit am Tatort und jede physische (tätliche) oder psychische (geistige) Mitwirkung, also z.B. „Anfeuern“, in feindseliger Willensrichtung ausreichend sein. Es ist also nicht notwendig für eine Beteiligung, dass jeder Beteiligte selbst Gewalt ausübt.
Die schwere Folge kann jede beliebige Person, z.B. auch einschreitende PolizistInnen oder einen in Notwehr getöteten Angreifer treffen.
2.3. Ein Ausweg: Keine Strafbarkeit wenn keine „Vorwerfbarkeit“ vorliegt
Kann einer Person die Beteiligung nicht vorgeworfen werden, bleibt sie straflos. Was heißt das?
„Ohne Vorwerfbarkeit“ (Absatz 2) bedeutet, daß für die fragliche Person Rechtfertigungsgründe oder Schuldausschließungsgründe in Betracht kommen, wegen derer er straflos sein kann.
Ein Rechtfertigungsgrund ist z.B. die Notwehr (bei einem Angriff), die Einwilligung der Beteiligten (Schlägerei aus Jux & Dollerei, wobei die Beteiligten Verletzungen an sich zustimmen).
Daneben kommt das allgemeine Festnahmerecht, § 127 StPO (Strafprozessordnung) in Frage: Jemand erwischt auf frischer Tat einen Täter, den er für die Polizei festnehmen will. Der flüchtet in eine Kneipe und es entwickelt sich mit dem Täter, dem Verfolger und den dort Anwesenden eine Schlägerei, wobei ein Beteiligter getötet wird. Alle sind gem. § 227 strafbar, bis auf den Verfolger: Er bleibt wegen des Rechtfertigungsgrundes aus dem Festnahmerecht, § 127 StPO straflos.
Straflos bleiben aufgrund ihrer Amtsbefugnisse auch PolizistInnen u.ä., solange sie im Rahmen ihrer Befugnisse handeln.
Auch kann Schuldunfähigkeit aufgrund einer Alkoholintoxikation vorliegen, also ab einem BAK-Wert von über 3 Promille. Ob bei eigetretenem Tod ein BAK-Wert von 3,3 Promille für die Schuldunfähigkeit als Grenzwert anzusetzen ist, muss vom Gericht im einzelfall geklärt werden.
2.4. Was muss passiert sein? Schwere Körperverletzung oder Tod eines Beteiligten
Beachte: Es ist irrelevant, dass die Folge von den Beteiligten nicht gewollt oder nicht vorhersehbar gewesen ist. Besonders ist hier eben, dass Körperverletzungen einfach „passieren“ und letztlich nicht nachweisbar ist, welcher der Beteiligten nun der Täter war. Will jemand bei einer Schlägerei den Tod eines anderen oder eine Körperverletzung, ist er auch noch nach den entsprechenden anderen Vorschriften strafbar – etwa Mord oder Totschlag.
Wie ist es zu beurteilen, wenn ein an der Schlägerei Beteiligter stirbt, weil er einen Herzinfarkt erleidet? Es ist danach zu entscheiden, ob die in dieser Schlägerei angelegte Gefahr tatsächlich so hoch war, daß ein Herzinfarkt natürliche Folge sein konnte. Das ist wohl ein leichten tätlichen Auseinandersetzungen zu verneinen, bei heftigen Saalschlachten zu bejahen.
3. Wie können sich die Beteiligten noch strafbar machen?
Zugleich kann der Beteiligte an der Schlägerei wegen Landfriedensbruchs, § 125 StGB, strafbar sein. Wenn einem Beteiligten ein Körperverletzungsvorsatz nachgewiesen werden kann, kommt daneben eine Strafbarkeit wegen einer gefährlichen Körperverletzung gem. § 224 StGB in Betracht. Wollte er den Tod eines anderen Beteiligten, kann er wegen Mordes oder Totschlages, §§ 211, 212 StGB, strafbar sein.