Gerichts- und Anwaltskosten im Strafprozess trägt grundsätzlich der Verurteilte – aber nicht unbedingt der Jugendliche oder Heranwachsende

Zum Verständnis: Gesetzestext

§ 465 StPO, Kostenpflicht des Verurteilten

(1) Die Kosten des Verfahrens hat der Angeklagte insoweit zu tragen, als sie durch das Verfahren wegen einer Tat entstanden sind, wegen derer er verurteilt oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung gegen ihn angeordnet wird. Eine Verurteilung im Sinne dieser Vorschrift liegt auch vor, wenn der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt wird oder das Gericht von der Strafe absieht.
(…)

§ 74 JGG, Kosten und Auslagen

Im Verfahren gegen einen Jugendlichen kann davon abgesehen werden, dem Angeklagten Kosten und Auflagen aufzuerlegen.

Für Eilige: Kurzfassung

  • Im Erwachsenenstrafprozessrecht trägt grundsätzlich der Verurteilte die Kosten des Verfahrens, § 465 StPO.
  • Bei Freispruch trägt die Staatskasse die Kosten.
  • Zu diesen Kosten zählen die Gerichtskosten. Ihre Höhe bemißt sich im Strafrecht nach der Höhe der Geld- oder Freiheitsstrafe; das ist im einzelnen im Gerichtskostengesetz (GKG) geregelt.
  • Dazu zählen auch die eigenen Rechtsanwaltskosten und die der anderen Beteiligten, sowie jene für Sachverständige, aber auch das sog. Zeugengeld.
  • Im Jugendgerichtsverfahren, dem u.U. auch Heranwachsende bis 21 Jahre unterliegen, wird in der Regel aus pädagogischen Gründen ganz oder teilweise davon abgesehen, dem Jugendlichen/Heranwachsenden die Kosten aufzuerlegen, wenn der Verurteilte kein regelmäßiges eigenes Einkommen hat.
  • Gegen die Entscheidung des Gerichtes, dass der Verurteilte die Kosten zu tragen hat, kann er eine sofortige Beschwerde einlegen (innerhalb 1 Woche), §§ 464 III, 311 StPO.

Für Ausdauernde: Einzelne Erklärungen

1. Kosten des Verfahrens – worum geht es an sich? Wie hoch können die Kosten sein?

Grundsätzlich trägt der Verurteilte eines Strafprozesses die Kosten des Gerichtsverfahrens, seine eigenen (für seinen Rechtsanwalt, Fahrtkosten etc.) und der ggf. anderen beteiligten Personen (so z.B. für Sachverständige, Rechtsanwaltskosten der Nebenklage, Zeugengeld).

Die Gerichtskosten für eine Hauptverhandlung mit einer Verurteilung richten sch nach der erkannten Strafe. Bei einem Urteil, in dem eine Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten oder zu einer Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen ausgesprochen wird, betragen die Gerichtskosten 140 EUR, bei bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen 280 EUR, bei bis zu zwei Jahren 420 EUR, bis zu vier Jahren 560 EUR, bis zu 10 Jahren 700 EUR und bei lebenslanger Freiheitsstrafe 1.000 EUR. Bei einer Geldbuße fallen immer 10 % von der Summe an; mindestens aber 50 EUR und höchstens 15.000 EUR. (Regelungen finden sich im Gerichtskostengesetz, Anlage 1, Teil 3).

Bei einem Freispruch trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten (vgl. § 467 I StPO).

Beachte: Im Unterschied zur Geldstrafe können die dem Verurteilten auferlegten Kosten nicht anderweitig “abgesessen” werden; wenn er sich also weigert zu zahlen, entsteht eine ganz normale Geldschuld gegenüber der Staatskasse. Wer nicht zahlt oder nicht zahlen kann, muss nicht ersatzweise in Haft.

Gegen die Kostenentscheidung des Gerichtes gibt es das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde (§ 55 JGG, § 464 Abs. 3 StPO).

2. Der Unterschied dazu im Jugendgerichtsprozess

Der Grundsatz der Kostenpflicht für den Verurteilten gilt auch im Jugendstrafprozess, aber das Gericht hat gemäß § 74 JGG ein Ermessen, nach dem (teilweise oder ganz) davon abgesehen werden kann, dem verurteilten Jugendlichen/Heranwachsenden die Kosten aufzuerlegen (sog. Freistellung).

Ob freigestellt wird, ist von pädagogischen Erwägungen abhängig: Durch die Freistellung soll eine zusätzliche Belastung mit den Prozesskosten nach der Entlassung aus dem Strafvollzug vermieden werden, damit eine Wiedereingliederung nicht unnötig erschwert wird. Denn die Kostenpflicht würde sich für die meisten Jugendlichen wie eine zusätzliche und sie oft lange belastende Geldstrafe auswirken.

3. Und die Kosten für den selbst beauftragten Rechtsanwalt?

Nach der Praxis der Gerichte werden im Falle einer Verurteilung die Kosten des selbst beauftragten Verteidigers nicht von der Staatskasse getragen. Der Wahlverteidiger ist also selbst zu bezahlen.

Hiervon zu unterscheiden sind die Kosten des Pflichtverteidigers. Wenn von der Auferlegung der Kosten abgesehen wird, werden auch die Kosten des Pflichtverteidigers von der Staatskasse übernommen.

Zur Klarstellung:

Bei einem Freispruch trägt die Landeskasse die Kosten. Die Gebühren eines Wahlverteidigers werden im Rahmen der gesetzlichen Kosten ersetzt.

11 Responses

  1. Neele

    Guten Tag!
    Was ist wenn das Gericht entscheidet, das die Anzeige fallen gelassen wird da es Aussage gegen Aussage steht?

    Liebe Grüße

    Antworten
    • Tilmann Pritzens

      Hallo Neele!
      Unser Anwalt beantwortet Ihre Frage wie folgt:
      Wenn die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren mangels hinreichenden Tatverdachts einstellt, fallen die Verfahrenskosten der Staatskasse zur Last. Die notwendigen Auslagen, also die Rechtsanwaltskosten, trägt der/die Beschuldigte dann selbst. Im Zwischen- und Hauptverfahren müsste das Gericht in dieser Situation die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnen, das Verfahren einstellen oder freisprechen. Dann würden sowohl die Verfahrens- als auch die Rechtsanwaltskosten der Staatskasse zu Last fallen.
      Beste Grüße,
      tilmann

      Antworten
  2. Lorenz

    Mein Sohn hat am 10.09.2018 ein Video bekommen über Whattsap was ganz schwarz war,er hat es über Instergram einfach an 2 Bekannten nach Amerika geschickt ohne vorher drauf zu schauen was es ist.Hinterher hat er sich angeschaut und fest gestellt das es sich um ein pornographisches Kinderporno handelt.Er hat es dann sofort gelöscht aber konnte es bei Instergram nicht mehr rückgängig machen.Jetzt nach etwa zwei Jahren stand nun letzte Woche die Kriminalpolizei vor der Tür und hat bei uns eine Hausdurchsuchung durch geführt und all seine alten Handys und das aktuelle Handy,sein Computer und Laptop mitgenommen.Welche Strafe kann jetzt auf ihn zu kommen und wie soll er sich weiter verhalten .Was würde ein Strafverteidiger kosten in diesem Fall?

    Antworten
    • Tilmann Pritzens

      Hallo! Ich habe Ihre Frage an unseren Anwalt weitergeleitet – sobald ich seine Antwort habe, wird sie hier veröffentlicht. Beste Grüße, Tilmann Pritzens

      Antworten
  3. Andreas Röttger

    Guten Morgen,

    ich erhielt nun von der GStA München eine aufgerechnete Kostenrechnung aus einem Verfahren. Der dort aufgeführte Betrag wird nun noch zusätzlich mit 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz p.a. von mir gefordert. Sind diese weiteren Zinserhebungen überhaupt rechtmäßig ? Mir wurden Ratenzahlungen bewilligt, jedoch “fressen” die Zinsen schon die Hälfte der monatlichen Zahlung.

    Antworten
    • Tilmann Pritzens

      Hallo Andreas,
      hier die Antwort von unserem Anwalt:

      Wenn ein Verurteilter nach Auffassung des Gerichts neben den Gerichtskosten auch für die Kosten und Auslagen eines anderen Beteiligten aufkommen muss, wird auf Antrag dieses Beteiligten festgesetzt, dass der Verurteilte ab Antragstellung Zinsen auf diese Forderung an den anderen Beteiligten zu zahlen hat. Die Höhe des Zinssatzes ist gesetzlich vorgegeben, nämlich in § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO. Insofern ist die Ergebung von Zinsen in dieser Höhe rechtmäßig, wenn sie sich auf die Kosten eines anderen Beteiligten beziehen.

      Gruß Tilmann

      Antworten
  4. Ingrid

    Hallo,
    Mein Sohn hat Misst gebaut.
    Er stand mit weiteren 3 Personen vor Gericht.
    Es ging um Drogen. Mein Sohn wurde als Helfer ohne
    Handel für 2 Jahre auf Bewährung verurteilt.
    Ebenfalls auf Bewährung eine weitere Person.
    2 Personen welche den Handel an Anbau betrieben haben,
    wurden auf Freiheitsstrafe verurteilt.
    Meine Frage: Ist das normal, das die Gerichtskosten zu gleichen
    Teilen der 4 Personen berechnet werden.
    Mir ist schon klar, das der Anwalt meines Sohnes von ihm bezahlt
    werden muss.
    Es liegt eine Gesamt- Rechnung für meinen Sohn in Höhe
    von 11.000,00 €

    Vielen Dank für ihre Antwort

    Antworten
    • Juri Schaffranek

      Hallo Frau Luber,

      diese Frage müsste definitiv ein Rechtsanwalt beantworten. Ich könnte Ihre Anfrage an unsere Rechtsberatung weiter leiten, vorausgesetzt sie geben dazu Ihre Zustimmung. Sollte dem so sein, senden Sie mir bitte eine Antwort auf juri@gangway.de

      Mit freundlichen Grüßen
      Juri Schaffranek

      Antworten
      • Ingrid

        Hallo Herr Schaffranek,

        Vielen Dank für Ihre Antwort,

        Welche Kosten kommen da auf mich zu ?

  5. Monika Böer

    Gegen meinen Sohn waren 2 Verfahren vor dem Jugendrichter des Amtsgerichtes anhängig. Zum einen ein Verfahren wegen Körperverletzung hier ist er zu 30 Arbeitsstunden verurteilt worden. Zum anderen ein Verfahren wegen angeblichen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Hier wurde das Verfahren gegen ihn eingestellt. Da die Zeugin in dem zweiten Verfahren ständig nicht erschienen ist und der Richter im ersten Verfahren alle Zeugen gehört hat ist uns nun eine Anwaltsrechnung in Höhe von 2.329,85 € gestellt worden. Kann das richtig sein. Wie soll er diese Kosten bei seiner Ausbildungsvergütung in Höhe von 450,00 € und 200,00 € Halbwaisenrente aufbringen. Gibt es hier eine besondere Regelung wie hoch der Anwalt abrechnen kann und darf.

    Antworten
    • Dinah Busse

      Sehr geehrte Frau Böer,
      bitte haben Sie Verständnis, dass wir in diesem Rahmen keine verbindlichen Auskünfte geben können.
      Grundsätzlich besteht für einen Anwalt die Möglichkeit, eine Vergütungsvereinbarung abzuschließen oder nach den Geühren des RVG abzurechnen. Was in Ihrem Fall vorliegt, lässt sich aus der Ferne nicht einschätzen.
      Im Zweifel wäre anzuraten, mit dem Anwalt eine Ratenzahlungsvereinbarung zu vereinbaren.
      Mit freundlichen Grüßen,
      DB

      Antworten

Hinterlasse eine Antwort für Juri Schaffranek Antwort abbrechen

Deine Email Adresse wird nicht veröffentlicht.