Gesetzestext und Erläuterungen zu den allgemeinen Befugnissen der Polizei nach § 17 ASOG (Allgemeines Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Berlin)

Zum besseren Verständnis: Gesetzestext

§ 17 ASOG Allgemeine Befugnisse, Begriff der Straftat von erheblicher Bedeutung

(1) Die Ordnungsbehörden und die Polizei können die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Falle bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung (Gefahr) abzuwehren, soweit nicht die §§ 18 bis 51 ihre Befugnisse besonders regeln.

(2) Zur Erfüllung der Aufgaben, die den Ordnungsbehörden und der Polizei durch andere Rechtsvorschriften übertragen sind (§ 1 Abs. 2), haben sie die dort vorgesehenen Befugnisse. Soweit solche Rechtsvorschriften Befugnisse der Ordnungsbehörde und er Polizei nicht abschließend regeln, haben sie die Befugnisse, die ihnen nach diesem Gesetz zustehen.

(3) Straftaten von erheblicher Bedeutung sind

1. alle Verbrechen und alle weiteren in § 100a der Strafprozessordnung (StPO) aufgeführten Straftaten,
2. Straftaten nach den §§ 176, 224, 232 Abs. 1, §§ 233 und 233a Abs. 2 des Strafgesetzbuches,
3. Straftaten nach den §§ 243 und 244 Abs. 1 Nr. 1 und 3 des Strafgesetzbuches, soweit sie organisiert, insbesondere banden-, gewerbs- oder serienmäßig begangen werden.

(4) Straftaten, die sich auf eine Schädigung der Umwelt oder auf gemeinschaftswidrige Wirtschaftsformen, insbesondere illegale Beschäftigung beziehen und geeignet sind, die Sicherheit der Bevölkerung zu beeinträchtigen, stehen Straftaten von erheblicher Bedeutung im Sinne des Absatzes 3 gleich.

Was versteht man unter “öffentliche Sicherheit und Ordnung”?

Der Begriff der öffentlichen Sicherheit umfasst den Schutz des Staates und seiner Einrichtungen, die gesamte Rechtsordnung und daher auch alle Individualrechtsgüter.

Öffentliche Ordnung ist die “Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln für das Verhalten des Einzelnen in der Öffentlichkeit, deren Beachtung nach den jeweils herrschenden Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten staatsbürgerlichen Lebens betrachtet wird” (so bspw. BVerwG, 6 C 1.13 v. 26.2.2014).

Bedeutung der Generalklausel

Die Generalklausel steht am Anfang des Zweiten Abschnittes des ASOG (Befugnisse der Ordnungsbehörden und der Polizei).
Hieraus folgen zwei Konsequenzen, die man bei ihrer Anwendung beachten muss:

1. Stellung des § 17 ASOG

Aus der Stellung des § 17 ASOG als erste Vorschrift des Zweiten Abschnittes des ASOG ergibt sich, dass auf sie auch die allgemeinen Vorschriften des Ersten Abschnitts anzuwenden sind.
Dies betrifft vor allem:

a. Störerbegriffe (§§ 13, 14, 16 ASOG)

Nach dem Wortlaut setzt der Tatbestand des § 17 I ASOG keinen Störer voraus. Gleichwohl muss man den Störerbegriff zum Tatbestand des § 17 I ASOG hinzulesen.
Der Erste Abschnitt des ASOG unterscheidet drei Störertypen:
– Verhaltensstörer (§ 13 ASOG)
– Zustandsstörer (§ 14 ASOG)
– Nichtstörer (§ 16 ASOG)

Der Störer ist dann der “Adressat” der polizeilichen Maßnahme, d.h. der Verantwortliche, der durch die Maßnahme in Anspruch genommen wird. (Das hat auch Auswirkungen auf evtl. entstehende Kosten.)

b. Ermessensausübung und Wahl der Mittel (§ 12 ASOG)

Das durch § 17 ASOG eingeräumte Ermessen wird durch § 12 ASOG näher bestimmt. Die Behörde hat damit eine gewisse Entscheidungsfreiheit, ob und mit welchen Mitteln gehandelt wird.

c. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 11 ASOG)

Gemäß § 11 ASOG besteht der zu beachtende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Danach muss die Behörde von mehreren möglichen Maßnahmen diejenige wählen, die den Betroffenen und die Allgemeinheit am wenigsten beeinträchtigt (§ 11 Abs. 1 ASOG).

d. Anwendung der Grundsätze des Allgemeinen im Besonderen Ordnungsrecht

Das ASOG selbst ist ein allgemeines Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Seine Grundsätze sind daher ebenfalls in besonderen Ordnungsgesetzen des Landes Berlin anzuwenden, z.B. in der Bauordnung von Berlin. Dies gilt aber nur dann, wenn die besonderen Gesetze keine abschließenden Regelungen treffen.

Daher gelten auch dort die Störerbegriffe sowie die Grundsätze der Ermessensausübung und der
Verhältnismäßigkeit des ASOG, sofern keine besonderen Regelungen (z.B. in der Bauordnung) vorhanden sind.

2. Subsidiarität der Generalklausel gegenüber den Standardmaßnahmen

§ 17 Abs. 1 ASOG ist “subsidiär”, d.h. nachrangig gegenüber anderen Ordnungsvorschriften (§§ 18 – 51 ASOG) anwendbar.

Wenn also ein bestimmter Sachverhalt durch diese Vorschriften geregelt wird, darf man nicht mehr auf die Generalklausel des § 17 Abs. 1 ASOG zurückgreifen. Der Grund für diese „Sperrung“ liegt darin, dass § 17 Abs. 1 ASOG als Generalklausel relativ weit gefasst ist. Die “Standardmaßnahmen” der §§ 18 bis 51 ASOG ermächtigen in den jeweilig festgelegten Rahmen Eingriffe in die Rechte des Einzelnen. Oftmals sind dies schwere Grundrechtseingriffe, wie z.B. die Ingewahrsamsnahme § 30 ASOG. Daher müssen in diesen Fällen Voraussetzungen vorliegen, die über die der Generalklausel hinausgehen – es gelten also strengere Anforderungen, die umgangen werden könnten, wenn die Generalklausel nicht gesperrt wäre.

Dieser Grundsatz gilt auch im Verhältnis vom ASOG zu den Vorschriften des besonderen Ordnungsrechtes. D.h., dass Vorschriften z.B. der Bauordnung immer vorrangig vor den Vorschriften des ASOG gelten, weil auch sie zusätzliche Voraussetzungen beinhalten.
Das setzt aber voraus, dass der betreffende Sachverhalt durch das besondere Ordnungsgesetz auch umfassend geregelt wird.

Im Ergebnis kann man also festhalten, dass der § 17 ASOG kein Blankoschek für die Polizei ist. Will die Polizei z.B. jemanden von einem Ort verweisen, sind die Voraussetzungen dafür bereits durch § 29 Abs.1 ASOG (Platzverweis) festgelegt. Liegen die Voraussetzungen nicht vor, die der § 29 ASOG verlangt, darf die Polizei nun nicht auf den § 17 ASOG zurückgreifen und den Verweis von einem Platz als notwendige Maßnahme nach § 17 ansehen. Aus gutem Grund hat der Gesetzgeber in § 29 strengere Anforderungen an eine derartige Maßnahme gestellt: weil es nämlich ein schwerer Eingriff in die Grundrechte ist.

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