Bordelle als sichere Dienstleistungsstätte? – Sexarbeit in Zeiten der Pandemie.

Warum wird eine Branche, die Steuern bezahlt[1] so wie andere Branchen auch, anders behandelt? Wenn Kunden* einen offenen Umgang damit pflegen würden, die Dienste von Sexarbeitenden in Anspruch zu nehmen, könnte damit dem Stigma, der Kunde sei unansehnlich und hässlich, entgegengewirkt werden. Der verruchte, schmutzige Charakter, der die Sexarbeit prägt, kann durch Offenheit geschmälert werden. Eine Strafe von bis zu 10.000€ bei laufendem Bordellbetrieb sah die Eindämmungsverordnung im Sommer 2020 in Berlin vor.

Das RKI konnte bestätigen, dass kein Superspreader-Fall im Bereich der Sexarbeit bekannt wurde und somit scheint die gesundheitliche Frage geklärt. Eine gespaltene Geisteshaltung scheint hier vorzuliegen, da das Vertrauen auf die Erhebungen des RKI andere gesellschaftliche Bereiche stark lenkt.

Der BesD[2] gibt zu bedenken, dass die Annahme, eine Frau* würde 30 Kunden pro Tag empfangen, einfach falsch sei, in einem Laufhaus sind vier Freier pro Tag eine gute Quote, die aufgrund der Eindämmungsmaßnahmen unerfüllt bleibt.

Frauen*, die zuvor die Möglichkeit hatten, sexuelle Dienstleistungen in Bordellen anzubieten, müssen sich durch die Schließung dieser Alternativen suchen. Viele sind bei Freiern untergekommen, im Bett oder am Sofa, dass sie selbstständig entscheiden können, wann sie sich und ihren Körper zur Verfügung stellen möchten, scheint ein romantisiertes Bild, dass die verstärkten Abhängigkeiten aufgrund der Pandemie verfälscht.

Dass der BSD[3]sogar Informationen, wie Sexarbeit in Bordellen trotz Corona nachgekommen werden kann, veröffentlicht hat, scheint am politischen Unwillen, die Rechte der Dienstleistenden zu stärken, nichts zu verändern.

Der Öffnungsplan des Staates sieht keinen Termin und auch keine vage Öffnungsperspektive vor, so wie er auch die Frauen* und die Folgen für sie nicht sieht.

Sind das nicht Argumente, die Prostitution fördern, anstatt Sexarbeit weiter auszubauen?

 

Anstatt eine Änderung der Bedingungen für die Sexarbeitenden und Prostituierten herbeizuführen, werden bereits etablierte Methoden der Kontrollmacht des Staates genutzt, indem Polizei und Ordnungsämter Bordelle aufsuchen und sich über die Frauen* mit dem Verhängen einer Geldstrafe von bis zu 5.000€ ermächtigen. Dabei werden Scheinfreier, die in Berlin Bedienstete des LKA sind, eingesetzt, die um eine Dienstleistung anfragen.

 

Auf die Situation im Jahr 2020 blickend, gab es seitens des Senats den Beschluss, sexuelle Dienstleistungen ab dem 8.August wieder zu erlauben – ab dem 1.September dann auch mit Geschlechtsverkehr, die Grundlage dafür bildete den Schutz vor illegaler Arbeit. Einerseits ist es verwunderlich, warum der geschlechtliche Akt ausschlaggebend für Restriktionen ist, andererseits stellt sich die Frage, worin sich der Unterschied begründet, orale Dienstleistungen anbieten zu dürfen und geschlechtliche nicht, wenn es doch eine Maskenpflicht gibt.

In der Diskussion um den Berufsstand der Sexarbeitenden als gleichbehandelte Branche, stellt sich abgesehen von der Divergenz struktureller Diskriminierung von Frauen* die Frage, wie die Umsetzung gleicher Rechte in einer Gesellschaft, in der die Unterwerfung der Frau* als „sexy“ gilt, überhaupt erwünscht ist: Der irrationale Gedanke, Feminismus würde zur Beschneidung  männlicher Privilegien führen, mündet tief in einer Genderdebatte und dreht sich nicht zuletzt um die Frage, wie es um den Begriff der Kastrationsangst steht.

Der in Frankfurt ansässige Verein Doña Carmen e.V.[4] hat am Internationalen Frauentag 2021 klare Forderungen an die Politik gestellt und stellt die Möglichkeiten dar, die Sexarbeiter*innen für sich einfordern. Im Kern beinhalten diese das

–  Recht auf Arbeit unter angemessenen Arbeitsbedingungen

–  Recht der eigenen Wahl des Arbeitsortes: Bordell – Wohnung – Straße

–  Recht, ohne Schikanen und Bußgelder sowie Polizeiüberwachung auf der Straße zu arbeiten

–  Recht auf einfachen Zugang zu Angeboten des Gesundheitsamts, in freiwilliger, anonymer und kostenfreier Form.

 

Bessere Arbeitsbedingungen wären realisierbar indem anerkannt würde, dass Verbote nicht dazu führen, Tätigkeiten aufzugeben. Sexuelle Dienstleistungen werden unter nicht geschützten Bedingungen und somit illegal weitergeführt – daher ist es kein gut gewähltes Mittel, Bordelle geschlossen zu halten und Sexarbeit zu verbieten. Eine Gleichstellung der Sexarbeitenden mit anderen Berufen würde einerseits zu einem geschützten Rahmen beitragen und zusätzlich zu Empowerment und Chancengleichheit verhelfen. Mit dem Schritt weg von der Viktimisierung würde das Bild der Frau* neu bekleidet – eine derartige Veränderung bringt möglicherweise Ur-Ängste des Menschen, wie die vor Veränderung, zum Vorschein.

[1] gemeint sind Bordelle und registrierte Solo-Selbstständige.

[2] https://www.berufsverband-sexarbeit.de

[3] https://bsd-ev.info/

[4] https://www.donacarmen.de/

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