Diplomarbeit von Stefanie Seewald
EinleitungDas Studium an der „Alice-Salomon-Fachhochschule“ (ASFH) in Berlin, ermöglicht über den Studienschwerpunkt „Abweichendes Verhalten“ (d.h. Kriminalität und Verhaltensauffälligkeiten
bei Jugendlichen) den Zugang zum Bereich der Jugendarbeit.
Entsprechend dieses Themengebietes entwickelte sich das Interesse an der Jugendsozialarbeit,
was sich auch in der Wahl der Praktikumsstellen widerspiegelte.
In den zwei durchgeführten Praktika konnten unterschiedliche Formen der Jugendsozialarbeit
näher kennen gelernt werden. Ein Praktikum wurde in der Berliner Jugendstrafanstalt (JVA) absolviert. Während der Vollzugszeit sollen die verurteilten Jugendlichen durch eine geeignete Erziehung zu einem künftig rechtschaffenden und verantwortungsbewussten Lebenswandel geführt werden. Als Erziehungsmittel benennt das Gesetz Ordnung, Arbeit, Unterricht, Leibesübungen, sinnvolle Freizeitbeschäftigung und Förderung beruflicher Leistungen (§ 91 Jugendgerichtsgesetz).
Im Gegensatz zu den Gegebenheiten und Methoden in der JVA wurden in dem Praktikum bei GANGWAY e.V. Handlungsoptionen im Umgang mit Jugendlichen aufgezeigt, die weniger restriktiv und mehr bedürfnisorientiert sind. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt hier in der Unterstützung und Integration von jugendlichen Gruppierungen, die nicht von anderen bestehenden sozialen Einrichtungen erreicht werden. Dass sich die Arbeit bei GANGWAY e.V. vor allem an den Bedürfnissen der Jugendlichen orientiert, ist ein wichtiger Ansatz, den es näher zu betrachten lohnt.

Musik, vor allem populäre Musik, ist für viele Jugendliche Mittel zur Identifikation, Abgrenzung zur Erwachsenenwelt und Lebensinhalt zugleich. Letzterer Aspekt wird besonders deutlich, führt man sich die große Resonanz der über das Fernsehen verbreiteten Live Casting Shows wie „Popstar“, „Star search“ oder auch „Deutschland sucht den Superstar“ vor Augen. Jugendliche im Alter von 15 bis 28 Jahren singen und tanzen vor laufenden TV-Kameras und betonen vor oder nach ihrem Auftritt überzeugend, dass Musik das Wichtigste in ihrem Leben sei. Zudem, so die jungen Akteure, böte sich die Chance auf eine Zukunftsperspektive als Sänger. Außerdem sei
die Musik geeignet, eigene Gedanken zum Ausdruck zu bringen. Aber ganz so einfach, wie es über die Medien suggeriert wird, ist es nicht. Es wird ein Starkult inszeniert, und die Zuschauer können verfolgen, wie binnen kürzester Zeit ein Jugendlicher zu einem Star geformt wird. Ob er als ein solcher bestehen kann, bleibt zunächst offen.
Es scheint also, als ob sich Jugendliche von den Massenmedien vereinnahmen lassen. Durch die professionelle Vermarktung der Teilnehmer lassen sich bereits erste diesbezügliche Tendenzen erkennen. Letzten Endes entscheiden jedoch die Konsumenten, ob, wann und inwieweit die Vermarktung erfolgreich ist bzw. sein kann.
Wenngleich nun der Eindruck entstehen mag, dass die Jugendlichen und ihre Kultur ein Instrumentarium der Massenmedien sind, so ist die Jugendkultur jedoch zunächst vor allem ein Spiegel der Gesellschaft. In Zeiten von globalen Spannungen, wie Terrorismus, Krieg, religiösen Konflikten und nationalen Krisen, wie Massenarbeitslosigkeit, verhärteten sozialen Unterschieden und sich auflösenden traditionellen familiären Bindungen, versuchen Jugendliche, sich zu orientieren und eine eigene Biographie zu gestalten. Auf der Suche nach dem eigenen Ich, nach Anerkennung und Geborgenheit haben einerseits die Bezugsgruppen (Peer-Group), wie z.B. die Clique, als Sozialisationsinstanz einen wichtigen Einfluss auf dem Weg vom Jugendlichen zum Erwachsenenstatus.
Andererseits bieten die ausdifferenzierten und pluralisierten Jugendkulturen mit ihren jeweils eigenen Norm- und Wertevorstellungen, ihrem eigenen Kleidungsstil und ihrer eigenen Musikkultur einen idealen Raum zur Selbstverwirklichung In der vorliegenden Arbeit soll am abschließenden praktischen Beispiel SOUNDLABBERLIN aufgezeigt werden, wie sich durch ein geeignetes musikkulturelles Angebot, die in der Jugendsozialarbeit (konkret hier in der Straßensozialarbeit) tätigen Sozialarbeiter bzw. Streetworker der Herausforderung „Jugendkulturen“ stellen können.
Mit Jugendlichen bzw. Heranwachsenden arbeiten zu wollen, erfordert Flexibilität und niederschwellige Angebote. Gerade in Hinblick auf Populärmusik als einen Schwerpunkt der Jugendkultur können die Sozialarbeiter häufig mit neuen und unbekannten kulturellen Inhalten konfrontiert werden. Wer sich in der Sozialen Arbeit ein Grundverständnis für die Bedeutung von Jugendkulturen angeeignet hat, vermag aus diesem Potential konkrete Anregungen für seine tägliche Arbeit schöpfen. Insbesondere die Musik, die in allen Jugendkulturen an zentraler Stelle steht, lässt sich hervorragend als kreatives Medium für soziokulturelle Projekte nutzen. Dies ist, wie das Beispiel SOUNDLAB-BERLIN zeigt, in vielfältiger Weise möglich, sei es in Form von Workshops beziehungsweise Musicals oder aber auch internationalen Jugendaustauschprogrammen.
Musik kann somit ein wichtiges Verbindungsglied zwischen den Jugendlichen und den sie betreuenden Sozialarbeitern darstellen. Durch musikkulturelle Angebote werden bei den Jugendlichen Lerneffekte erzielt, die gerne angenommen werden, da sie ihrer Lebensweise sehr nahe kommen, vor allem aber weil sie die Zukunftschancen erhöhen oder sich zumindest positiv auf dasLebensgefühl auswirken können.
Im folgenden Kapitel 2 wird die Ausdifferenzierung und Pluralisierung von Jugendkulturen in den letzten knapp einhundert Jahren vor dem Hintergrund der jeweiligen gesellschaftlichen Entwicklungen beschrieben. Begriffe wie Jugendphase, Jugendkultur bzw. jugendlicher Lebensstil werden diskutiert und näher erläutert. Ausgesuchte bedeutende Jugendkulturen werden einer näheren Betrachtung unterzogen, dabei werden die gesellschaftlichen Entstehungsbedingungen, die Wesensmerkmale, die Gemeinsamkeiten der Mitglieder dieser Jugendkulturen sowie insbesondere die mit der jeweiligen Jugendkultur verbundenen Musikkulturen herausgearbeitet.
Bevor am Beispiel SOUNDLAB-BERLIN Musik als Instrumentarium der Straßensozialarbeit vorgestellt wird, erfolgt eine nähere Beschreibung der Etablierung von Straßensozialarbeit in Deutschland aufgrund gesellschaftlicher Veränderungen und sich der sich daraus ableitenden Handlungsoptionen (Kapitel 3). Die Arbeitsweise des größten freien Trägers in der Berliner Straßensozialarbeit „GANGWAY e.V. – Straßensozialarbeit in Berlin“, ist Thema von Kapitel 4. Die Darstellung der bei GANGWAY e. V. herrschenden Standards ermöglicht, ein Verständnis für die Straßensozialarbeit in Berlin zu entwickeln. Auf der Basis dieser Standards lässt sich die konkrete Umsetzung des Projekts SOUNDLAB-BERLIN im Bezirk Marzahn-Hellersdorf erklären (Kapitel 5). Im abschließenden Kapitel 6 werden die Ergebnisse der Diplomarbeit zusammengefasst.

Die komplette Arbeit finden Sie hier zum Download als pdf.

Diplomarbeit: Jugendkultur - Eine Herausforderung für die Sozialarbeit (pdf)
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